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Was hat die Kommission zu ihrem Vorschlag zur Regulierung von NGT-Pflanzen bewogen?

Folgende Faktoren motivierten die EU-Kommission, einen Vorschlag zur Anpassung der Regulierung von NGT-Pflanzen vorzulegen:

Wissenschaftlicher Fortschritt: Die Entwicklung präziser Techniken wie CRISPR/Cas ermöglicht gezielte Genomveränderungen, die auch durch natürliche Prozesse oder konventionelle Züchtung entstehen könnten. Dies führte zu Überlegungen, ob die bestehenden Gentechnik-Regelungen noch angemessen sind.

Nachhaltige Landwirtschaft: NGT-Pflanzen bieten Potenzial für eine nachhaltigere Landwirtschaft, indem sie beispielsweise widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Umwelteinflüsse sind. Dies steht im Einklang mit den Zielen des European Green Deal und der „Farm-to-fork“-Strategie.

Internationale Entwicklungen: Andere Länder haben bereits angepasste Regelungen für NGT-Pflanzen eingeführt, was die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft beeinflussen könnte. Eine Anpassung der EU-Regulierung soll sicherstellen, dass europäische Züchter und Landwirte nicht benachteiligt werden.

Rechtliche Klarheit: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018 stellte fest, dass NGT-Pflanzen unter die bestehenden GVO-Regelungen fallen. Dies führte zu Diskussionen über die Notwendigkeit einer speziellen Regulierung für NGT-Pflanzen, um rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen.

Was sind die wesentlichen Kernpunkte des Vorschlags der EU-Kommission zur Regulierung gewisser genomeditierter Pflanzen (NGT-Pflanzen)?

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Pflanzen aus den neuen genomischen Techniken umfasst folgende Kernpunkte:

Kategorisierung: Einteilung der Pflanzen in zwei Kategorien:

  • Kategorie 1: Pflanzen mit genetischen Veränderungen, die auch durch natürliche Prozesse oder konventionelle Züchtung entstehen könnten. Diese sollen von der GVO-Regulierung ausgenommen und wie konventionelle Pflanzen behandelt werden (NGT-1-Pflanzen).
  • Kategorie 2: Pflanzen mit komplexeren genetischen Modifikationen, die weiterhin unter die GVO-Regulierung fallen (NGT-2-Pflanzen).
  • NGT-Pflanzen enthalten keine artfremde genetische Information

Zulassungsverfahren: Für Kategorie-1-Pflanzen ist kein spezifisches Zulassungsverfahren vorgesehen, während Kategorie-2-Pflanzen das bestehende Verfahren aus der GVO-Regulierung durchlaufen müssen.

Kennzeichnung: Für NGT-1-Pflanzen ist keine Kennzeichnung vorgesehen, lediglich Saatgut soll gekennzeichnet werden. Die Einführung eines öffentlichen Registers für NGT-Pflanzen sowie einer Identifizierungsnummer der NGT-Pflanze sollen Transparenz für Züchter und Verbraucher gewährleisten.

Anzahl der Veränderungen: Ist im Annex festgelegt. Festlegung einer Obergrenze von 20 genetischen Veränderungen im Genom für NGT-1-Pflanzen.

Ausschluss bestimmter Eigenschaften: Pflanzen mit Herbizidresistenz, die durch NGT erzeugt wurden, sind von der vereinfachten Regulierung ausgeschlossen und unterliegen weiterhin der GVO-Regulierung.

Diese Vorschläge zielen darauf ab, die Regulierung von NGT-Pflanzen an den aktuellen wissenschaftlichen Stand anzupassen und Innovationen in der Pflanzenzüchtung zu fördern.

Siehe dazu: „Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel sowie zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/62“

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CONSIL:ST_11592_2023_INIT

 

Sind NGT-Pflanzen GVO?

Aus juristischer Sicht gelten NGT in der EU derzeit als Verfahren, die zu GVO führen. Die so entstandenen Organismen unterliegen denselben strengen Regulierungen wie klassische GVO. In anderen Ländern wird jedoch oft zwischen NGT und klassischer Gentechnik differenziert, insbesondere, wenn keine fremde DNA eingefügt wird. Ob NGT-Pflanzen als GVO eingestuft werden, hängt somit von der im jeweiligen Land geltenden juristischen Definition und Regulierungen ab.

Wird juristisch zwischen den Mutageneseverfahren unterschieden?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) unterscheidet nicht zwischen den neuen (gezielten) und alten/klassischen (ungerichteten) Methoden der Mutagenese (Erzeugung von Erbgutveränderungen). Das heißt, dass sowohl Organismen, deren Erbgut mithilfe von klassischer Mutagenese, bei der mutagene Chemikalien oder ionisierende Strahlung zur Veränderung des Genoms eingesetzt werden, als auch der gezielten Mutagenese (Methoden des Genome Editing), als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) im Sinne der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG zu betrachten sind.

Wie werden Pflanzen im Rahmen des Vorschlags der EU-Kommission zur Neuregulierung von NGT-Pflanzen behandelt?

Der Vorschlag zur Neuregulierung von Pflanzen, die mithilfe von NGT erzeugt wurden, unterscheidet zwischen zwei Kategorien:

NGT-1-Pflanzen: Diese Pflanzen weisen genetische Veränderungen auf, die auch durch natürliche Prozesse oder konventionelle Züchtungsmethoden entstehen könnten. Sie werden daher wie konventionelle Pflanzen behandelt und sind von den strengen Anforderungen des Gentechnikrechts ausgenommen. Lebens- und Futtermittel aus NGT-1-Pflanzen müssen nicht gekennzeichnet werden; jedoch wird Saatgut entsprechend gekennzeichnet. Zur Information über NGT-1-Pflanzen wird ein öffentliches Register eingerichtet.

NGT-2-Pflanzen: Diese umfassen alle NGT-Pflanzen, die nicht unter die NGT-1-Kategorie fallen. Sie unterliegen weiterhin den bestehenden Gentechnikvorschriften, einschließlich einer obligatorischen Risikobewertung, Zulassungspflicht sowie Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.

Diese Differenzierung zielt darauf ab, den regulatorischen Rahmen an den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt zu gewährleisten.

 

Was versteht man unter Pflanzen der Kategorie 1 / NGT-1-Pflanzen?

NGT-1-Pflanzen weisen genetische Veränderungen auf, die auch durch natürliche Prozesse oder konventionelle Züchtungsmethoden entstehen könnten. Sie werden daher wie konventionelle Pflanzen behandelt und sind von den Anforderungen des Gentechnikrechts ausgenommen. Lebens- und Futtermittel aus NGT-1-Pflanzen müssen nicht gekennzeichnet werden; jedoch wird Saatgut entsprechend gekennzeichnet, und es wird ein öffentliches Register eingerichtet, das Informationen über diese Pflanzen bereitstellt.

 

Was versteht man unter Pflanzen der Kategorie2 / NGT-2-Pflanzen?

Pflanzen NGT-2-Pflanzen sind genetisch so verändert, dass sie Merkmale besitzen, die über das hinausgehen, was auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtung erreicht werden könnte. Diese Merkmale entstehen durch komplexere Eingriffe in das Genom, oder umfangreichere Modifikationen, die in der Natur nicht vorkommen würden.

Aufgrund dieser Veränderungen unterliegen NGT-2-Pflanzen in der EU weiterhin den strengen Vorgaben des Gentechnikrechts. Dies bedeutet:

Umfassende Risikobewertung: Bevor NGT-2-Pflanzen zugelassen werden können, muss eine gründliche Bewertung möglicher Risiken für Mensch, Tier und Umwelt durch die EFSA durchgeführt werden.

Zulassungspflicht: Für den Anbau oder die Nutzung als Lebensmittel oder Futtermittel benötigen NGT-2-Pflanzen eine behördliche Zulassung.

Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit: Produkte, die NGT-2-Pflanzen enthalten, müssen entsprechend gekennzeichnet sein und rückverfolgt werden können, um Transparenz für Verbraucher und Landwirte zu gewährleisten.

Betrifft der Vorschlag zur Regulierung von NGT-Pflanzen alle mithilfe von NGT erzeugten Pflanzen?

Der Vorschlag betrifft alle Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese und Cisgenese erzeugt werden, sowie die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel. Die gezielte Mutagenese führt zu Mutationen im Genom ohne Hinzufügen fremden Erbgutes (z. B. bei Veränderungen innerhalb derselben Pflanzenarten). Bei der Cisgenese wird Erbgut eines kreuzbaren Spenders in den Empfängerorganismus eingebracht (z. B. bei Veränderungen zwischen natürlich kompatiblen Pflanzen).

Pflanzen, die mithilfe von NGT gewonnen wurden und Erbgut einer nicht kreuzbaren Art enthalten, fallen nicht unter den Vorschlag. Diese unterliegen weiterhin den bestehenden GVO-Rechtsvorschriften.

Wurde der Vorschlag der EU-Kommission seit seiner Veröffentlichung geändert?

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von NGT-Pflanzen ist bislang nicht geändert oder modifiziert worden. Im Gesetzesverfahren können Änderungsvorschläge durch das EU-Parlament und dem Rat der Europäischen Union eingebracht werden. Im Trilogverfahren (siehe unten) werden die Vorschläge diskutiert und möglicherweise in die Verordnung zur Regulierung von NGT-Pflanzen nach einem Kompromiss eingebracht.

Was ist der aktuelle Stand des Verfahrens zur Neuregulierung von NGT-Pflanzen?

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Neuregulierung von Pflanzen, die mit NGT erzeugt wurden, befindet sich im legislativen Prozess. Das EU-Parlament hat dem EU-Kommissionsvorschlag an 07.Februar 2024 mit mehr als 100 Änderungsvorschlägen zugestimmt. Am 24.April 2024 hat dann das Parlament seinen Standpunkt zum Kommissionsvorschlag in 1. Lesung dargelegt. Diese wesentlichen Änderungsvorschläge sind: Nicht-Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen, durchgängige Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit entlang der Warenkette, Sicherheitsbewertung und erweiterter Schutz des Ökolandbau.

Unter der spanischen (01.07.2023 – 31.12.2023) und belgischen Ratspräsidentschaft (01.01.2024 – 30.06.2024) konnten sich die Mitgliedsstaaten nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt zum Kommissionsvorschlag einigen. Unter der ungarischen Ratspräsidentschaft, die seit dem 1. Juli 2024 besteht, kamen die Verhandlungen ins Stocken.. Ungarn, bekannt für seine gentechnikkritische Haltung, hat die Debatte neu eröffnet und grundlegende Fragen zum Gesetzesentwurf der EU-Kommission aufgeworfen. Dies hat dazu geführt, dass die Beratungen im Rat der Europäischen Union ins Stocken geraten sind. Es ist daher unwahrscheinlich, dass unter der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft signifikante Fortschritte bis Ende des Jahres 2024 erzielt werden. Möglicherweise werden die Verhandlungen erst unter zukünftigen Ratspräsidentschaften wieder zügiger vonstattengehen.

Was versteht man unter dem Trilogverfahren?

Sollen in der EU Gesetzesvorschläge umgesetzt werden, sind im Verfahren Vertreter des Rates der Europäischen Union (EU-Rat), des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission beteiligt. Das Trilogverfahren beginnt. Die Kommission ist dabei die Instanz, die den Gesetzesentwurf vorschlägt, über welchen das Parlament und der EU-Rat beraten und abstimmen. Dabei können sowohl Parlament als auch Rat Änderungsvorschläge einbringen, die dann von der jeweils anderen Instanz beraten müssen, damit ein Vorschlag zum Gesetz werden kann.

Wie ist der Ablauf eines Trilogverfahrens?

Vorbereitungsphase: Die EU- Kommission legt einen Gesetzesvorschlag vor, der dann sowohl im EU- Parlament als auch im Rat der EU diskutiert wird. Beide Institutionen können Änderungsanträge vorschlagen.

Verhandlungen im Trilog: Falls es unterschiedliche Positionen zwischen dem Parlament und dem Rat gibt, werden im Rahmen des Trilogverfahrens Kompromisslösungen gesucht. Diese Verhandlungen finden oft hinter verschlossenen Türen statt, um rasch eine Einigung zu erzielen. An den Verhandlungen nehmen Vertreter der drei Institutionen teil:

  • Die EU- Kommission als Initiator des Gesetzesvorschlags.
  • Der Rat der EU, der die Interessen der Mitgliedstaaten vertritt.
  • Das EU- Parlament, das die Interessen der europäischen Bürger repräsentiert.

Einigung und Verabschiedung: Wenn ein Kompromiss gefunden wird, muss dieser von beiden -Parlament und Rat -angenommen werden. Erst danach kann das Gesetz verabschiedet werden und in Kraft treten.

Im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Gentechnikverordnung wird bisweilen von „Deregulierung“ gesprochen. Hat das seine Berechtigung?

Ziel der EU-Kommission ist es, die Regulierung an den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen, ohne dabei den Schutz von Umwelt und Gesundheit zu vernachlässigen. Sie sieht die Änderungen als notwendige Modernisierung, um Innovationen zu fördern und gleichzeitig hohe Sicherheitsstandards aufrechtzuerhalten. Das bestehende Gentechnikrecht wird nicht dereguliert, sondern es wird ein gesondertes Gesetz zur Regulierung von NGT-Pflanzen erstellt (lex specialis).

Dürfen NGT-1-Pflanzen nach dem Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von Pflanzen, die mithilfe von NGT erzeugt wurden, im ökologischen/biologischen Anbau verwendet werden?

Der Vorschlag der EU-Kommission schließt die Verwendung von NGT-Pflanzen im ökologischen Landbau ausdrücklich aus. Das bedeutet, dass solche Pflanzen im ökologischen Anbau nicht eingesetzt werden dürfen

Diese Regelung stellt sicher, dass der ökologische Landbau weiterhin ohne den Einsatz von NGT-Pflanzen betrieben wird, um die Integrität und die Prinzipien des ökologischen Anbaus zu wahren.

 

Es gibt eine Studie der französischen Umweltbehörde ANSES. Gibt es hier inhaltlich relevante Punkte und wie geht die EU-Kommission mit den Ergebnissen um?

Die französische Agentur für Umwelt, Nahrungsmittelsicherheit und Arbeitsschutz (ANSES) hat einen umfangreichen Report veröffentlicht, dessen Erkenntnisse in Einklang mit den Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Zentralen Kommission für die biologische Sicherheit (ZKBS) stehen. Es wurde festgestellt, dass jede Mutation zu einem Sicherheitsrisiko der jeweiligen Pflanze führen kann. Leider wird im ANSES-Report eine wesentliche Tatsache nicht ausgesprochen, die es allerdings zu ergänzen gilt: Dieses mögliche Gefährdungspotenzial gilt für alle Pflanzen, egal ob natürlich wachsend, konventionell gezüchtet oder aber mithilfe neuer genomischer Techniken entstanden. Vor diesem Hintergrund erbrachte der ANSES-Report in Hinblick auf NGT-1-Pflanzen keine neuen Erkenntnisse. Dies war auch das Credo der EU-Kommission, die betonte, dass die in ihrem Vorschlag aufgestellten Kriterien auf umfassenden wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Sie verwies auf Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die zu dem Schluss kam, dass Pflanzen mit ähnlichen Risikoprofilen sowohl durch konventionelle Züchtung als auch durch bestimmte NGT entstehen können.

Wie bewertet die EFSA die Ergebnisse der ANSES-Studie?

Das GVO-Gremium der EFSA prüfte die Analyse und Anmerkungen der ANSES zu verschiedenen in den Kriterien in Anhang I des Vorschlags der Europäischen Kommission verwendeten Begriffen und erörterte Definitionen auf Grundlage früherer Gutachten des GVO-Gremiums der EFSA. Das GVO-Gremium der EFSA kam zu dem Schluss, dass die verfügbare wissenschaftliche Literatur zeigt, dass Pflanzen, die die Arten und die Anzahl genetischer Veränderungen aufweisen, die im Vorschlag der Europäischen Kommission als Kriterien zur Identifizierung von NGT-Pflanzen der Kategorie 1 verwendet werden, das Ergebnis spontaner Mutationen oder zufälliger Mutagenese sind. Daher ist es wissenschaftlich gerechtfertigt, NGT-Pflanzen der Kategorie 1 hinsichtlich der Ähnlichkeit genetischer Veränderungen und der Ähnlichkeit potenzieller Risiken als konventionell gezüchteten Pflanzen gleichwertig zu betrachten. Das GVO-Gremium der EFSA hat in seinen früheren Gutachten keine zusätzlichen Gefahren und Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von NGTs im Vergleich zu konventionellen Züchtungstechniken festgestellt.

Warum werden Pflanzen, die mit Hilfe von Hilfe mutationsauslösender Strahlung oder Chemikalien gezüchtet wurden im aktuellen Gentechnikgesetz als Ausnahme behandelt?

Durch Annex 1B der Freisetzungsrichtline werden diese Pflanzen als Ausnahme behandelt und fallen nicht unter den Anwendungsbereich dieser Regelung.

Im Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass auch Pflanzen, die mit Hilfe mutationsauslösender Strahlung oder Chemikalien gezüchtet wurden, als „genetisch veränderte Organismen (GVO)“ anzusehen sind. Denn, so das EUGH-Urteil, bei solchen Pflanzen wurde „eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung am genetischen Material eines Organismus vorgenommen“. Deswegen fallen sie unter das Gentechnik-Gesetz, sind jedoch zugleich von allen Einschränkungen befreit, die für gentechnisch veränderten Pflanzen (und Tiere) gelten: Keine besonderen Auflagen beim Anbau, keine Zulassungs- und Kennzeichnungspflichten, keine Sicherheitsbewertung vor der Markteinführung. Sogar in Produkten mit „ohne Gentechnik“-Siegel dürfen Mutagenese-Pflanzen verwendet werden, obwohl sie aus juristischer Sicht GVO sind.

Die EuGH-Richter begründen das mit der langen Erfahrung (History of safe use), die man mit der Mutationszüchtung habe. Es sei daher gerechtfertigt, daraus hervorgegangene Pflanzen ohne weitere Prüfung als „sicher“ anzusehen. Eine Kennzeichnung, die Wahlfreiheit ermöglicht, sei nicht erforderlich

In der EU gelten solche Pflanzen juristisch als GVO, sind aber trotzdem von allen dafür vorgesehenen Bestimmungen ausgenommen.

Was bedeutet der Begriff “History of safe use” (HSU)?

Der Begriff „History of Safe Use“ (HSU), bedeutet eine „Historie der sicheren Nutzung“ und bezieht sich auf den Nachweis, dass ein Produkt, eine Substanz oder ein Organismus über einen langen Zeitraum hinweg sicher verwendet wurde, ohne gesundheitliche oder ökologische Risiken darzustellen. In der Landwirtschaft wird eine HSU verwendet, um zu zeigen, dass bestimmte Pflanzen, Züchtungen oder Inhaltsstoffe seit Generationen sicher konsumiert oder angebaut wurden und somit als unbedenklich gelten.

Im Zusammenhang mit Pflanzen bedeutet eine HSU, dass eine bestimmte Pflanze über einen langen Zeitraum, oft Jahrhunderte, in verschiedenen Kulturen als Lebens- oder Futtermittel genutzt wurde. Die HSU umfasst dabei sowohl direkte Effekte auf die menschliche Gesundheit (z. B. keine toxischen Effekte) als auch ökologische Effekte, wie eine stabile Integration in das Ökosystem, ohne andere Arten zu verdrängen oder das Gleichgewicht zu stören.

Werden Pflanzen, die durch klassische Mutationszüchtung entstanden sind, im biologischen Landbau eingesetzt?

Pflanzen aus der klassischen Mutationszüchtung werden genauso behandelt wie solche aus herkömmlicher Züchtung. Bis auf das Sortenrecht gibt es keine besonderen Vorschriften. Auch in der Bio-Landwirtschaft sind aus Mutagenese hervorgegangene Pflanzen ohne Einschränkungen erlaubt. Einige Bio-Verbände untersagen allerdings die Verwendung von Pflanzen aus der Mutationszüchtung für ihre Mitglieder.

Wie werden NGT-Pflanzen außerhalb der EU reguliert?

Die Regulierung von NGT variiert weltweit stark und spiegelt die unterschiedlichen politischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Ansätze der Länder wider. Die meisten Länder außerhalb Europas regulieren NGT-produzierte Pflanzen und Organismen nicht auf Basis der Methode, sondern auf Grundlage der Eigenschaften des Endprodukts. In fast allen Fällen sind NGT-Pflanzen, die keine fremden Gene enthalten, von den strengeren Vorschriften für GVO ausgenommen. Dieser produktbasierte Ansatz ermöglicht es, viele NGT-Produkte schneller auf den Markt zu bringen, da sie nicht denselben umfangreichen Prüfungen unterliegen wie herkömmliche GVO.

Hier einige Beispiele, wie NGT außerhalb Europas reguliert werden:

USA

In den USA werden Pflanzen, die mit NGT bearbeitet wurden und deren Veränderungen auch auf natürliche Weise auftreten könnten, nicht als GVO eingestuft.

Kanada

Kanada verfolgt einen produktbasierten Ansatz, ähnlich wie die USA. Pflanzen, die mit NGT bearbeitet wurden und deren Veränderungen auch auf natürliche Weise auftreten könnten, werden nicht als GVO eingestuft.

Argentinien

Argentinien war eines der ersten Länder, das einen spezifischen regulatorischen Rahmen für NGT-Pflanzen entwickelt hat. Das Land hat 2015 eine Richtlinie herausgegeben, die vorsieht, dass NGT-Produkte, die keine fremden Gene enthalten, nicht als GVO eingestuft werden. Diese Produkte unterliegen einer Fall-zu-Fall-Bewertung durch das Biosicherheitskomitee.

Brasilien

Wie in Argentinien werden NGT-Produkte, die keine Fremd-DNA enthalten, nicht als GVO angesehen und unterliegen vereinfachten Verfahren.

Japan

In Japan werden NGT-Produkte nicht als GVO behandelt, wenn keine fremde DNA eingebracht wurde.

Australien

Australien hat seine Regelungen für NGT-Pflanzen 2019 überarbeitet. Die zuständige Behörde stellte fest, dass einige Produkte, die mit Präzisionszüchtungsmethoden hergestellt wurden (wie z. B. CRISPR/Cas ohne fremde DNA), nicht unter die GVO-Gesetze fallen.

 

Gibt es nach aktuellem Stand der Forschung Verfahren, nach denen genomeditierte Pflanzen gerichtsfest zu identifizieren sind?

Aktuell gibt es kein Verfahren, das gerichtsfest und ohne Vorabinformationen (wie Informationen vom Züchter) die Anwendung von NGT in Pflanzen oder anderen Organismen nachweisen kann. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass viele der durch NGT verursachten genetischen Veränderungen, insbesondere punktuelle Mutationen, von natürlichen Mutationen nicht unterscheidbar sind.

 

Steht der Vorschlag der EU-Kommission zur Regulierung von mit NGT – Pflanzen in Widerspruch zu grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen?

Der Vorschlag der EU-Kommission zu NGT-Pflanzen steht nicht im Widerspruch zu grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine Reihe wissenschaftlicher Studien, unter anderem von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), der National Academy of Sciences (USA) und der Royal Society (Großbritannien) bestätigen, dass NGT-Pflanzen bezüglich Sicherheit für Gesundheit und Umwelt mit konventionell gezüchteten Pflanzen vergleichbar sind. Diese und andere Studien liefern ein wissenschaftlich fundiertes Fundament für eine Bewertung von NGT-Pflanzen, wie sie der Kommissionsvorschlag vorsieht.

 

Was besagt das Vorsorgeprinzip? 

Das Vorsorgeprinzip lässt sich als ein ausgewogenes Schutzinstrument beschreiben, das potenzielle Risiken für Umwelt und Gesundheit berücksichtigt, ohne Innovation zu blockieren. Es besagt, dass bei Unsicherheiten über mögliche Gefahren präventive Maßnahmen sinnvoll sein können – allerdings nur auf Basis von nachvollziehbaren, wissenschaftlich fundierten Anhaltspunkten. Das Prinzip fordert also keine absolute Vermeidung von Risiken, sondern eine Abwägung: Innovationen dürfen voranschreiten, wenn mögliche Risiken angemessen erforscht und, falls nötig, kontrolliert werden können.

In diesem Sinne ist das Vorsorgeprinzip kein Verbot, sondern ein flexibler Rahmen, der Innovation und Sicherheit miteinander verbindet und gezielt dort eingreift, wo ernstzunehmende Risiken bestehen.

 

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