Ungarische Ratspräsidentschaft

01. Juli 2024 – 31. Dezember 2024 

Regulation der neuen genomischen Techniken (NGT)

Diskussion der Mitgliedsstaaten über den Kommissionsvorschlag zur Regulation der neuen genomischen Techniken (NGT) unter der ungarischen Ratspräsidentschaft.

 

Ungarn hat am 1. Juli 2024 turnusgemäß für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union übernommen. Gleich zu Beginn der Präsidentschaft überraschte und irritierte Victor Orbán die EU-Kommission mit seinen sog. Friedensmissionen nach Moskau zu Präsident Putin sowie nach Peking zu Präsident Xi Jinping (und zu Donald Trump). 

► Ungarn übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft: Schwierige Voraussetzungen

Ebenso überraschend und verwirrend war das ► präsidiale Non-Paper ST 11820 vom 03. 07.2024 zu dem Kommissionsvorschlag zur Regulierung der neuen genomischen Techniken (NGT). Im ► Arbeitsprogramm der ungarischen Präsidentschaft werden die NGT nur unterschwellig unter der Rubrik „Nachhaltigkeit“ auf einer Seite erwähnt: „Die ungarische Ratspräsidentschaft will die Verhandlungen über die Gesetzesvorschläge zum pflanzlichen und forstlichen Saatgut, zur Überwachung der Wälder, zu Tiertransporten, zu den neuen genomischen Techniken und zum Tierwohl von Hunden und Katzen fortsetzen.

Non-Paper zum Kommissionsvorschlag zur Regulierung der neuen genomischen Techniken (NGT)

Mit dem Non-Paper möchte die ungarische Präsidentschaft das ► Gesetzesvorhaben der Kommission zu den NGT voranbringen nachdem es der spanischen und belgischen Präsidentschaft nicht gelungen war, eine gemeinsame Stellungnahme der Mitgliedsstaaten zu dem Kommissionsvorschlag abzugeben. In dem Non-Paper vertritt die ungarische Präsidentschaft die Auffassung, dass der Kommissionsvorschlag zur Regulierung der NGT noch nicht hinreichend diskutiert worden sei und mehrere Themenkomplexe einer tiefer gehenden Klärung bedürften, ehe über das weitere Vorgehen zum Kommissionsvorschlag eine Entscheidung getroffen werden sollte bzw. könnte.

  1. Kriterien für die Gleichwertigkeit von NGT-Pflanzen mit konventionellen Pflanzen – Anhang I
  2. Notwendigkeit einer Risikobewertung von NGT-1-Pflanzen und daraus hergestellter Erzeugnisse

        2.1 Geltungsbereich der Verordnung (Landwirtschaftliche Nutzpflanzen – Wildpflanzen)

  1. Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln aus NGT-1-Pflanzen
  2. Nachweis und Identifizierung von NGT-Pflanzen und -Produkten
  3. Thematik der Nachhaltigkeit
  4. Export in Drittländer -Gleichwertigkeitskriterien zu konventionellem Saatgut
  5. Verifizierungsverfahren – zusätzlicher Verwaltungsaufwand bei den Mitgliedsstaaten und mögliche Auswirkungen auf Unternehmen
  6. Ermächtigung der Kommission zum Erlass von delegierten Rechtsakten
  7. Übereinstimmung mit dem Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit

In dem Non-Paper werden neun Themenkomplexe aufgeführt zu denen Klärungsbedarf besteht:

Im Non-Paper werden keine Lösungsvorschläge oder Antworten zu den Themenkomplexen gemacht. Vielmehr werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, zu den Themen Stellung zu beziehen und Lösungs- oder Kompromissvorschläge zu erarbeiten. Diese sollen dann auf den nächsten NGT-Arbeitsgruppentreffen beraten werden. Hierfür sind der 19. Juli, 10. September und 19. November 2024 als Termine vorgesehen.

Anmerkungen seitens des WGG zu dem Non-Paper

Allgemein:

Das Non-Paper erweckt den Eindruck als ob in den vorangegangenen Arbeitsgruppensitzungen unter der spanischen und belgischen Ratspräsidentschaft die genannten Themenkomplexe kaum besprochen worden wären. Das Papier berücksichtigt des Weiteren kaum die bereits erzielten Ergebnisse und Kompromisse unter den Mitgliedsstaaten. Ebenso wird auf das im Februar erzielte Abstimmungsergebnis* nicht eingegangen und der dort erzielte Kompromissvorschlag nicht berücksichtigt. Das Papier erweckt mehr den Eindruck, als ob die Mitgliedsstaaten in der Diskussion um die NGT-Regulierung nahezu am Anfang stünden. Möglicherweise beabsichtigt die ungarische Präsidentschaft mit den aufgeworfenen Themenkomplexen die Erzielung eines gemeinsamen Standpunktes, der von der qualifizierten Mehrheit der Mitgliedsstaaten getragen wird, weiter zu erschweren und damit zumindest den Fortgang der NGT-Gesetzgebung unter der ungarischen Präsidentschaft zu unterbinden.

Speziell:

Anhang I: Gleichwertigkeit von NGT-Pflanzen zu konventionellen Pflanzen

Im Anhang I sind die Kriterien aufgelistet, die NGT-Pflanzen und besonders NGT-1-Pflanzen erfüllen müssen, damit sie überhaupt als NGT-Pflanzen gelten. Nur Pflanzen, die diese Kriterien nachweislich erfüllen, sollen speziell reguliert und von den einschlägigen Gentechnikregelungen ausgenommen werden.

In einem ► technischen Arbeitspapier hatte die Kommission die Kriterien der Gleichwertigkeit herausgearbeitet und begründet. Hier analysierte sie eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen über Pflanzen, die aus konventioneller Züchtung, induzierter Zufallsmutagenese und gentechnischen Züchtungsmethoden hervorgegangen sind. Schwerpunkt lag hier auf der Art der Mutation(en), der Anzahl von Mutationen und dem Größenbereich.

Die Äquivalenzkriterien wurden bereits unter der spanischen Ratspräsidentschaft intensiv diskutiert und in dem Kompromissvorschlag als wissenschaftlich begründet angenommen.

Ebenso wurde der Themenkomplex der Gleichwertigkeit im EU-Parlament und seinen Ausschüssen diskutiert. Das EU-Parlament beauftragte die EFSA zur Abgabe einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu den von der Kommission aufgestellten Äquivalenzkriterien und der ► entsprechenden Analyse durch die französische ANSES-Behörde. Am 11. Juli 2024 hat die EFSA ihre Stellungnahme abgegeben. Sie kommt zu dem Schluss: „Daher ist es wissenschaftlich gerechtfertigt, NGT-Pflanzen der Kategorie 1 hinsichtlich der Ähnlichkeit der gentechnischen Veränderungen und der Ähnlichkeit der potenziellen Risiken als gleichwertig mit konventionell gezüchteten Pflanzen zu betrachten.“

► Anhang I: Kriterien für die Gleichwertigkeit von NGT-Pflanzen mit herkömmlichen Pflanzen

Eine NGT-Pflanze gilt als gleichwertig mit herkömmlichen Pflanzen, wenn sie sich von der Empfänger-/Elternpflanze durch nicht mehr als 20 genetische Veränderungen der unter den Nummern 1 bis 5 genannten Arten in einer DNA-Sequenz unterscheidet, die eine Sequenzähnlichkeit mit der Zielstelle aufweist, die durch bioinformatische Werkzeuge vorhergesagt werden kann.

1) Ersatz oder Einführung von höchstens 20 Nukleotiden;

2) Streichung einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden;

3) sofern die genetische Veränderung ein endogenes Gen nicht unterbricht:

a) gezielte Einführung einer zusammenhängenden DNA-Sequenz in den Genpool des Züchters;

b) gezielter Ersatz einer endogenen DNA-Sequenz durch eine im Genpool des Züchters vorhandene zusammenhängende DNA-Sequenz;

4) gezielte Umkehrung einer Abfolge beliebiger Nukleotide;

5) jede andere gezielte Veränderung jeglicher Größe unter der Bedingung, dass die resultierenden DNA-Sequenzen bereits (möglicherweise mit Veränderungen gemäß den Nummern 1 und/oder 2) in einer Art aus dem Genpool der Züchter auftreten.

EFSA (2024): Scientific opinion on the ANSES analysis of Annex I of the EC proposal COM (2023) 411 (EFSA-Q-2024-00178) EFSA Journal 22: e8894. | https://doi.org/10.2903/j.efsa.2024.8894

EFSA was asked by the European Parliament to provide a scientific opinion on the analysis by the French Agency for Food, Environmental and Occupational Health & Safety (ANSES) of Annex I of the European Commission proposal for a regulation ‘on plants obtained by certain new genomic techniques (NGTs) and their food and feed, and amending regulation (EU) 2017/625’. The Panel on genetically modified organisms (GMO) assessed the opinion published by ANSES, which focuses on (i) the need to clarify the definitions and scope, (ii) the scientific basis for the equivalence criteria and (iii) the need to take potential risks from category 1 NGT plants into account. The EFSA GMO Panel considered the ANSES analysis and comments on various terms used in the criteria in Annex I of the European Commission proposal and discussed definitions based on previous EFSA GMO Panel opinions. The EFSA GMO Panel concluded that the available scientific literature shows that plants containing the types and numbers of genetic modifications used as criteria to identify category 1 NGT plants in the European Commission proposal do exist as the result of spontaneous mutations or random mutagenesis. Therefore, it is scientifically justified to consider category 1 NGT plants as equivalent to conventionally bred plants with respect to the similarity of genetic modifications and the similarity of potential risks. The EFSA GMO Panel did not identify any additional hazards and risks associated with the use of NGTs compared to conventional breeding techniques in its previous Opinions

https://www.efsa.europa.eu/sites/default/files/2024-07/EFS2_8894_Rev2.PDF%20%281%29.pdf

Nach Ansicht des WGG ist es wissenschaftlich gerechtfertigt, NGT-1-Pflanzen als äquivalent zu konventionell als auch zu durch Zufallsmutagenese gezüchteten Pflanzen zu betrachten. Eine erneute Diskussion um die Äquivalenzkriterien aus Annex I ist nicht mehr notwendig.

2. Notwendigkeit einer Risikobewertung von NGT-1-Pflanzen und daraus hergestellter Erzeugnisse

Die Ratspräsidentschaft bemängelt das Fehlen einer vorgeschriebenenSicherheitsüberprüfung von NGT-1-Pflanzen insbesondere hinsichtlich von Umweltbelangen und fragt die Mitgliedsstaaten an, ob eine vereinfachte generelle Sicherheitsbewertung eingeführt werden könnte und welche Kriterien diese aufweisen sollte.

Die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln für Mensch, Tier und Umwelt ist ein hohes Gut und soll (wird) durch zahlreiche Maßnahmen und Verordnungen der EU gewährleistet (werden). Erzeugnisse NGT-Pflanzen machen hier keine Ausnahme.

Für NGT-1-Pflanzen ist keine gentechnik-spezifische Sicherheitsbewertung vorgesehen. Aber vor der Freisetzung oder Vermarktung einer NGT-1-Pflanze muss ihr Status von einer kompetenten europäischen Behörde im Verifizierungsverfahren überprüft und bestätigt werden. Hier wird entsprechend der Kriterien aus Anhang I die Gleichwertigkeit der NGT-1-Pflanze* zu der entsprechend konventionellen Pflanze festgestellt. Somit kann die NGT-1-Pflanze wie eine konventionelle bewertet werden. Die NGT-1-Pflanze unterliegt dann allen pflanzenbaurechtlichen Regularien. Erzeugnisse aus der NGT-1-Pflanze müssen den Anforderungen aus der Basisverordnung (EG) 178/2002 entsprechen und unterliegen somit den entsprechenden lebensmittelrechtlichen Regularien. Die NGT-1-Pflanzen und daraus gewonnene Erzeugnisse können somit nicht völlig dereguliert und ohne Bewertung in Verkehr gebracht werden.

*  Im Verifizierungsverfahren wird immer eine Einzelfallentscheidung getroffen, speziell für die beantragte NGT-Pflanze.     

Die EFSA unterstreicht in ihrer Stellungnahme zur ANSES-Analyse nicht nur die Gleichwertigkeit von NGT-1-Pflanzen zu konventionellen. Aufgrund der Gleichwertigkeit führt sie auch aus, dass die potenziellen Ricken von NGT-1-Pflanzen ähnlich / gleichwertig zu denen von konventionell gezüchteten Pflanzen seien und gleich bewertet werden können.

Ebenso hat die EFSA in früheren wissenschaftlichen Stellungnahmen zum Schluss, dass von den genetischen Veränderungen bei Pflanzen durch die gezielte Mutagenese oder der Cisgenese keine besonderen oder spezifischen Risiken für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen. Ferner stellte sie fest, dass bei den neuen genomischen Techniken das Potenzial zum Auftreten unerwünschter Effekte (off-target-Effekte) geringer ist als bei den klassischen Mutageneseverfahren.

GMO Panel (EFSA 2020): Applicability of the EFSA Opinion on site-directed nucleases type 3 for the safety assessment of plants developed using site-directed nucleases type 1 and 2 and oligonucleotide-directed mutagenesis. EFSA Journal 2020;18(11):6299, 14 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6299

EFSA (2021): Paraskevopoulos K and Federici S. Overview of EFSA and European national authorities’ scientific opinions on the risk assessment of plants developed through New Genomic Techniques. EFSA Journal 2021;19(4):6314, 43 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6314

GMO Panel (EFSA 2022): Statement on criteria for risk assessment of plants produced by targeted mutagenesis, cisgenesis and intragenesis. EFSA Journal 2022; 20(10):7618, 12 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2022.7618

GMO Panel (EFSA 2021): In vivo and invitro random mutagenesis techniques in plants. EFSA Journal 2021;19(11):6611, 30 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2021.6611

Neben der EFSA haben sich in den letzten Jahren auch zahlreiche wissenschaftliche Organisationen u.a. zur Sicherheit von NGT-Pflanzen geäußert. Aus der Sichtung der wissenschaftlichen Literatur kommen auch sie zum Schluss, dass NGT-Pflanzen und daraus gewonnene Produkte kein höheres Risiko für Mensch und Umwelt bergen als Pflanzen und deren Erzeugnisse, die durch natürliche Mutationen, klassische Kreuzungen oder die induzierte Zufallsmutagenesezüchtung erzeugt wurden.

 

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften

► Gemeinsame Pressemitteilung

„Nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Kommission kann das Vorsorgeprinzip nur angewendet werden, wenn es einen wissenschaftlich begründeten Besorgnisanlass gibt. Dieser fehlt im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten. Zahlreiche in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien enthalten keinerlei Hinweise darauf, dass die NGT oder deren Produkte ein höheres Risiko für Mensch und Umwelt bergen als Pflanzensorten und deren Produkte, die durch natürliche Mutationen, klassische Kreuzungszüchtung oder die Mutagenesezüchtung (mittels Bestrahlung oder Chemikalien) erzeugt wurden.“

► Offener Brief von 117 Forschungseinrichtungen aus nahezu allen EU-Mitgliedstaaten

Regulating genome edited organisms as GMOs has negative consequences for agriculture, society and economy

We regret the purely process-based interpretation of the legislation by the Court and conclude that the EU GMO legislation does not correctly reflect the current state of scientific knowledge. Organisms that have undergone simple and targeted genome edits by means of precision breeding and which do not contain foreign genes are at least as safe as if they were derived from classical breeding techniques.

All European Academies (ALLEA)

 

► Academies´report reviews debate on genome editing for crop improvement

“Targeted genome edits, which do not add foreign DNA, do not present any other health or environmental danger than plants obtained through classical breeding techniques, and are as safe or dangerous as the latter.”

Aus wissenschaftlicher Sicht ist der WGG der Ansicht, dass für eine NGT-1-Pflanze, die im Verifizierungsverfahren von der zuständigen kompetenten Behörde als gleichwertig zu der entsprechenden konventionellen eingestuft wurde, weder eine gentechnik-spezifische noch eine vereinfachte Sicherheitsüberprüfung notwendig ist. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen gewährleisten hier, wie bei konventionellen Pflanzen und daraus hergestellten Erzeugnisse die Sicherheit für Mensch, Tier und Umwelt.

2.1. Geltungsbereich der Verordnung

Die Ratspräsidentschaft sieht in dem umfassenden Geltungsbereich der Verordnung Probleme. Sie möchte von den Mitgliedsstaaten wissen, ob der Geltungsbereich genauer spezifiziert werden solle und eine Einschränkung der Anwendung der NGT bei Wildpflanzen gemacht werden solle.

In Artikel 2 wird der Geltungsbereich der Verordnung umrissen. Er betrifft vollumfänglich alle NGT-Pflanzen (Art.2, Abs. 1). In der Verordnung oder in Erwägungsgründen wird nicht zwischen Nutz-, Kultur-, Heilpflanzen oder Wildpflanzen differenziert. Die ist auch nachvollziehbar, da es in der EU keine eindeutige Definition für Wildpflanzen im Unterschied zu Kulturpflanzen gibt.

Der WGG vertritt die Auffassung, dass im Geltungsbereich der Verordnung nicht zwischen Kult- und Wildpflanzen differenziert werden sollte. Eine solche Unterscheidung würde einen zusätzlichen verwaltungsmäßigen Aufwand bedeuten und Innovationen behindern. Der WGG erwartet allerdings, dass bei Anwendungen der neuen genomischen Techniken bei Wildpflanzen die einschlägigen Regularien wie die RL RL 43/92/EWG und  BNatSchG §40 beachtet werden.

3. Kennzeichnung von Lebens- und Futtermitteln aus NGT-1-Pflanzen

Die Kennzeichnung von Erzeugnissen ist ein wichtiges Element der Verbraucherinformation und ermöglicht eine freie Entscheidung für oder gegen ein Erzeugnis. Sie darf aber nicht zur Stigmatisierung von Erzeugnissen genutzt werden.

Nach Auffassung der Ratspräsidentschaft würde der Kommissionsvorschlag den Interessen des ökologischen Landbaus und der gentechnikfreien Lebens- und Futtermittelerzeugung nicht gerecht und würde den vollständigen Ausschluss von NGT-1-Pflanzen und deren Produkten entlang der Produktions- und Vermarktungskette nicht gewährleisten. Die alleinige Kennzeichnung von NGT-1-Saat- und Vermehrungsgut sei nicht hinreichend vor dem möglichen Eintrag von NGT-1-Pflanzen.

Zum Schutz des ökologischen Landbaus stellt die Ratspräsidentschaft zwei Optionen zur Diskussion.

Option 1: Verpflichtung einer umfassenden Kennzeichnung von NGT-1-Pflanzen und der daraus gewonnenen Erzeugnisse entlang der gesamten Lebens- und Futtermittelkette.

Option 2: NGT-1-Pflanzen auch für den ökologischen Landbau zulassen. In diesem Fall wäre dann keine Kennzeichnung notwendig. Diese Option würde allerdings den Vorstellungen des ökologischen Landbaus widersprechen.

Das Verbot der Nutzung / Verwendung von NGT-Pflanzen im ökologischen Landbau ist letztlich auf Interventionen der Verbände des ökologischen Landbaus und der gentechnikfreien Lebens- und Futtermittelproduktion und deren Vermarktung sowie von Umweltschutzorganisationen in die Verordnung aufgenommen worden.

Nach Auffassung des WGG ist die vollständige Kennzeichnung der NGT-1-Pflanzen und der daraus gewonnenen Erzeugnisse entlang der Kette kein geeignetes Element, den ökologischen Landbau und Produzenten von gentechnikfreien Lebens- und Futtermitteln vor dem Eintrag oder der Verwendung von NGT-1-Erzeugnissen zu schützen. Vielmehr würde eine solche Kennzeichnung lediglich zu einer Stigmatisierung von NGT-1-Erzeugnissen in Hinblick auf gleichwertige konventionelle Produkte führen. Zusätzlich würde eine durchgängige und vollständige Kennzeichnung zu einem hohen bürokratischen Überprüfungs- und Überwachungsaufwand führen.

Der WGG vertritt vielmehr die Auffassung, dass die Verwendung von NGT-1-Pflanzen für den ökologischen Landbau und der nachgelagerten Verarbeitung nicht gleich per Gesetz ausgeschlossen werden sollte. Hier sollte den Verbänden die Möglichkeit geboten werden selbst eine Entscheidung zu treffen, wie sie es für Pflanzen und deren Erzeugnisse aus der induzierten Zufallsmutagenese bereits praktizieren.

Das generelle Verbot einer Nutzung von NGT-1-Pflanzen würde eine Branche direkt von Weiterentwicklungen in der Pflanzenzüchtung ausschließen.

Die Information über die Herstellung von Lebensmitteln ist ein verbrieftes Recht von Verbrauchern. Der Kommissionsvorschlag wird diesem mit der Einführung einer Identifizierungsnummer im Register gerecht. Die verpflichtende Kennzeichnung muss mit einem rechtssicheren Nachweis der genetischen Veränderung verbunden sein.

  1. Nachweis und Identifizierung von NGT-Pflanzen und -Produkten

Ein rechtssicherer Nachweis von genomeditierten Pflanzen und daraus hergestellter Erzeugnisse ist mit eine der Voraussetzungen für eine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit entlang der Warenkette. Bislang stehen jedoch praxistaugliche Nachweisverfahren für NGT-1-Pflanzen nicht zur Verfügung. Die Ratspräsidentschaft ist sich dieser Situation bewusst und bittet die Mitgliedsstaaten für Vorschläge mit welchen anderen Maßnahmen eine Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit sichergestellt werden könnten und ob sie ein „Horizon Scanning“ für nützlich halten.

Die Ratspräsidentschaft ist weiterhin der Ansicht, dass hier die Entwicklungen für Analysenmethoden abgewartet werden sollten, insbesondere die Ergebnisse aus den EU-finanzierten Projekten ► DETECTIVE und ► DARWIN.

 

Bei der klassischen Gentechnik wurden (werden) intakte funktionsfähige Gene (bzw. synthetische Genkonstrukte) in Pflanzen transferiert. In der Regel wurden (werden) hierfür Gene aus Mikroorganismen verwendet. Die gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten somit eine artfremde genetische Information, die über klassische Züchtungsverfahren nicht übertragbar wäre. Die DNA-Sequenzen aus der artfremden genetischen Information werden zum Nachweis der technischen Veränderung genutzt. Die Methoden hierfür sind etabliert, validiert und hochempfindlich. Bei den neuen genomischen Techniken, die zu NGT-1-Pflanzen führen, werden hingegen lediglich einzelne / oder wenige Nukleotide ausgetauscht, deletiert oder transferiert. Es wird somit keine artfremde genetische Information eingefügt, sondern in der arteigenen genetischen Information wird sequenzspezifisch (im Idealfall) eine Mutation eingefügt. Die eingeführte Mutation könnte bei diesen NGT-1-Pflanzen auch durch klassische Züchtungsverfahren entstehen. Eine Unterscheidung, ob die Mutation auf klassischem Wege (natürliche oder induzierte Zufallsmutagenese) herbeigeführt wurde, oder durch die neuen genomischen Techniken ist trotz gegenteiliger Behauptungen bislang nicht möglich.

Hierin liegt auch das Problem für den Nachweis von NGT-1-Pflanzen und deren Produkten. Bei hinreichender Information über die genetische Veränderung der NGT-1-Pflanzen kann mit den bestehenden Verfahren diese Mutation sicher nachgewiesen werden. Nicht nachgewiesen werden kann aber, über welchem Weg / welches Verfahren diese Mutation in der NGT-Pflanze entstanden ist. Für einen rechtssicheren analytischen Nachweis muss das Identifizierungsverfahren zwei Kriterien erfüllen:

  1. eindeutige Identifizierung der eingeführten Mutation(en) und  
  2. eine eindeutige Anzeige, wie diese Mutation(en)in die Pflanzen eingeführt wurde.

Bislang gibt es ein solches Identifizierungsverfahren nicht!

 

Das Europäische Netzwerk der GVO-Laboratorien führt 2023 in seinen ► Bericht „ Detection of food and feed plant products obtained by targeted mutagenesis and cisgenesis” aus:

“In conclusion, limitations have been identified for the development and validation of robust, event-specific detection methods for different types of genomic modifications in plants resulting from targeted mutagenesis or cisgenesis. It is stressed that products that have identical DNA sequences but have been developed either naturally or by conventional breeding or by using new genomic techniques cannot be distinguished by analytical methods. For an effective market control of such products, and especially for unknown products entering the European Union (EU), analytical detection will need to be complemented by other enforcement measures. It is furthermore predicted that the current analytical enforcement system will suffer from an increased workload if food, feed and seed samples have to be analysed with individual methods for all known mutation events. 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Entwicklung und Validierung robuster, ereignisspezifischer Nachweismethoden für verschiedene Arten von genomischen Veränderungen in Pflanzen, die durch gezielte Mutagenese oder Cisgenese hervorgerufen wurden, nur begrenzt möglich ist. Es wird betont, dass Produkte, die identische DNA-Sequenzen aufweisen, aber entweder auf natürliche Weise, durch konventionelle Züchtung oder durch den Einsatz neuer genomischer Techniken entstanden sind, mit analytischen Methoden nicht unterschieden werden können. Für eine wirksame Marktkontrolle solcher Produkte und insbesondere für unbekannte Produkte, die in die Europäische Union (EU) gelangen, muss der analytische Nachweis durch andere Durchsetzungsmaßnahmen ergänzt werden. Es wird außerdem vorhergesagt, dass das derzeitige analytische Durchsetzungssystem unter einer erhöhten Arbeitsbelastung leiden wird, wenn Lebensmittel-, Futtermittel- und Saatgutproben mit individuellen Methoden auf alle bekannten Mutationsereignisse hin untersucht werden müssen.

Ähnliche Schlussfolgerungen können auch aus den Vorträgen der Wissenschaftler (m/w) auf der vom Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) 2023 in Berlin durchgeführten „► International Conference on GMO Analysis and New Genomic Techniques“ gezogen werden.

► Superior Health Council.(2024): Proposal of European Regulation on plants produced by certain New Genomic Techniques (NGTs). Brussels: SHC; 2024. Report 9801.

“In summary, while predicted off targets can be detected, distinguishing plants obtained through conventional breeding and NGT plants is often challenging, if not impossible, with the current techniques.”

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass zwar vorhergesagte Off-Targets erkannt werden können, die Unterscheidung zwischen Pflanzen aus konventioneller Züchtung und NGT-Pflanzen mit den derzeitigen Techniken jedoch oft schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist.

In den beiden vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Forschungsprojekten ► Detect und ► RapsNMT wurden systematisch Möglichkeiten zum Nachweis einer genomeditierten Gerste (Detect) und eines genomeditierten Rapses untersucht. Beide Untersuchungsobjekte entsprechen NGT-1-Pflanzen. Die Projekte wurden Ende 2023 abgeschlossen. Für die Gerste konnte aufgrund der DNA-Sequenzgegebenheiten zwischen der genomeditierten und der konventionellen Gerste kein Testverfahren entwickelt werden, welches in der Lage eindeutig zwischen den beiden Pflanzen unterscheiden kann. Für den genomeditierten Raps dagegen konnte aufgrund spezieller und zufälliger DNA-Unterschiede zwischen beiden Pflanzen ein Testsystem entwickelt werden, welches eindeutig und empfindlich zwischen dem konventionellen und dem genomeditierten Raps zu differenzieren.

Der ► Projektträger BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung führt hier zu aus:

„Im Gesamtergebnis konnten die Forschenden Analyseverfahren entwickeln, um die zuvor bekannten Mutationen der genomeditierten Linien nachzuweisen. Zudem bestätigten sie Hinweise auf einen analytischen Ansatz, der – in bestimmten Fällen – herangezogen werden könnte, um genomeditierte Linien als solche zu identifizieren, sie also von einer konventionellen Linie mit derselben Mutation zu unterscheiden.“

sowie

„Pflanzen, deren Erbgut mithilfe neuer genomischer Techniken zielgerichtet verändert („genomeditiert“) wurde, fallen in der EU unter die Regelungen für gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Für die Marktkontrolle und als Voraussetzung für das Inverkehrbringen von GVO werden gerichtsfeste Nachweis- und Identifizierungsverfahren für die amtliche Kontrolle benötigt, die erlauben, genomeditierte von klassischen Züchtungsprodukten zu unterscheiden – also eindeutig zu identifizieren – und gegebenenfalls auch geringe Beimengungen ausreichend sicher festzustellen. Bisher verfügbare und etablierte Verfahren zum Nachweis von GVO, mit denen bekannte Fremd-DNA-Sequenzen detektiert werden, können nur eingeschränkt auf genomeditierte Pflanzen, die keine solchen DNA-Sequenzen enthalten, übertragen werden.“

Aus wissenschaftlicher Sicht vertritt der WGG die Auffassung, dass es in naher Zukunft kein generelles rechtssicheres Verfahren zum Nachweis von NGT-1-Pflanzen geben wird, das die Einführung der genetischen Veränderung über die neuen genomischen Techniken anzeigt. Lediglich in Einzelfällen unter ganz speziellen DNA-Sequenzgegebenheiten zwischen editierter und konventioneller Pflanze wird eine Unterscheidung möglich sein.

Vorläufige Ergebnisse aus den Projekten ► DETECTIVE und ► DARWIN sind frühstens Mitte 2027 zu erwarten. Daher sollten die Projekte nicht zum Anlass genommen werden, die Aufnahme der Trilog-Verhandlungen weiter hinauszuschieben.

5. Nachhaltigkeit

Land- und Lebensmittelwirtschaft stehen vor zahlreichen Herausforderungen, die eine nachhaltige Produktion mit geringerem Flächen- und Betriebsmitteleinsatz und einer Verringerung der Umweltauswirkungen notwendig machen. Für den Europäischen Green Deal spielen Nachhaltigkeitsaspekte eine große Rolle. Die Kommission misst NGT-Pflanzen eine besondere Bedeutung zur Erreichung der Ziele aus dem Green Deal zu. Daher werden im Kommissionsvorschlag (Art. 22) Anreize für die Bereitstellung von NGT-2-Pflanzen mit Nachhaltigkeitsmerkmalen geschaffen. Im Anhang III, Teil 1 sind Merkmale von Pflanzen für eine nachhaltigere Landwirtschaft aufgelistet.

Artikel 22: Anreize für NGT-Pflanzen der Kategorie 2 und NGT-Erzeugnisse der Kategorie 2, die für die Nachhaltigkeit relevante Merkmale enthalten.

(1) Die Anreize dieses Artikels gelten für NGT-Pflanzen der Kategorie 2 und für NGT-Erzeugnisse der Kategorie 2, wenn mindestens eines der durch die genetische Veränderung übertragenen Merkmale der NGT-Pflanze in Anhang III Teil 1 enthalten ist und keine Merkmale gemäß Teil 2 des genannten Anhangs vorhanden sind.

Anhang III, Teil 1: Merkmale, die die Anreize gemäß Artikel 22 rechtfertigen.

1) Ertrag, einschließlich Ertragsstabilität und Ertrag unter Bedingungen mit geringem Betriebsmitteleinsatz;

2) Toleranz/Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischen Stressfaktoren (z. B. Pflanzenkrankheiten, die durch Nematoden, Pilze, Bakterien, Viren oder andere Schädlinge verursacht werden);

3) Toleranz/Widerstandsfähigkeit gegenüber abiotischen Stressfaktoren, einschließlich solcher, die durch den Klimawandel verursacht oder verschärft werden;

4) effizientere Nutzung von Ressourcen wie Wasser und Nährstoffen;

5) Merkmale, die die Nachhaltigkeit der Lagerung, der Verarbeitung und des Vertriebs verbessern;

6) Verbesserung der Qualität oder der ernährungsphysiologischen Eigenschaften;

7) verringerter Bedarf an externen Betriebsmitteln wie Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln

Die Ratspräsidentschaft begrüßt das Streben nach mehr Nachhaltigkeit. Aber sie ist der Auffassung, dass diese Aspekte auch auf NGT-1-Pflanzen übertragen werden sollten. Ferner seien die Nachhaltigkeitskriterien sehr allgemein gehalten und es würden keine Angaben gemacht, wie diese zu bewerten seien. Zusätzlich sollten auch ökologische, soziale und wirtschaftliche Umstände im Zusammenhang mit der geplanten Anwendung/Nutzung der Pflanze oder des Produkts berücksichtigt werden.

Die Ratspräsidentschaft möchte daher die Meinung der Mitgliedstaaten einholen, inwieweit Nachhaltigkeitsaspekte sowie Nachhaltigkeitskriterien im Rahmen des Kommissionsvorschlags oder in einem umfassenderen horizontalen Ansatz, z.B. im „Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme“, behandelt werden sollten. Zusätzlich möchte sie Informationen, wie Verfahren einer Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien aussehen könnten.

 

Der WGG begrüßt die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien. Nachhaltigkeitsaspekte sollten jedoch nicht als Voraussetzung für die Zulassung einer NGT-Pflanze „missbraucht“ werden.

6. Exporte in Drittländer – Äquivalenzkriterien mit konventionellem Saatgut in Bezug auf Drittländer

Die Ratspräsidentschaft nimmt die Bedenken eines Mitgliedstaates hinsichtlich des freien Handels mit NGT-1-Pflanzen und deren Produkte auf, da nicht alle Drittländer NGT-1-Pflanzen entsprechend der Kriterien aus Anhang I als gleichwertig zu konventionellen Pflanzen ansehen. Dies könnte zu Handelshemmnissen führen und deshalb sollte eine globale Folgenabschätzung für den Handel mit diesen Erzeugnissen durchgeführt werden.

Die Ratspräsidentschaft ersucht die Mitgliedstaaten, sich mit ihren Handelsorganisationen in Verbindung zu setzen und Auskünfte einzuholen ob die Handelspartner ebenfalls Einschränkungen im Handel mit NGT-1-Saatgut sehen.

Der WGG betrachtet diese Frage als überholt, da bereits heute 24 Drittstaaten Pflanzen und der Produkte, die über die neuen genomischen Techniken bzw. die Präzisionstechnik entstanden sind und keine artfremde DNA enthalten von den einschlägigen Gentechnikregularien ausgeschlossen haben. Diese Pflanzen, die den EU NGT-1-Pflanzen entsprechen, werden in diesen Ländern als konventionelle Pflanzen gehandelt und geregelt.

Der WGG ist vielmehr der Ansicht, dass der Kommissionverschlag mit entsprechenden Änderungen zügig umgesetzt werden sollte, um internationale Handelshemmnisse und WTO-Einsprüche im Umgang mit NGT-1-Pflanzen zu vermeiden.

7. Verifizierungsverfahren* – zusätzlicher Verwaltungsaufwand bei den Mitgliedsstaaten und mögliche 

                                                Auswirkungen auf Unternehmen

In Anlehnung an die Freisetzungsrichtline 2001/18/EG werden im Kommissionsvorschlag für das Freisetzen von NGT-1-Pflanzen die Situationen

a) die absichtliche Freisetzung für einen anderen Zweck als das Inverkehrbringen (z.B. zu Forschungszwecken) (Art. 6) und

b) das Freisetzen vor dem Inverkehrbringen von NGT-Erzeugnissen (Art. 7)

unterschiedlich geregelt.

Bei Freisetzungen zu Forschungszwecken soll, analog der Freisetzungsrichtlinie für gv-Pflanzen, die jeweilige nationale kompetente Behörde des Mitgliedsstaates, auf deren Territorium das Freisetzen der NGT-1-Pflanzen stattfinden soll, das Verifizierungsverfahren durchführen. Für das Verfahren vor dem Inverkehrbringen ist hingegen die EFSA zuständig.

In dieser Zweiteilung der Verfahren für das Freisetzung von NGT-Pflanzen sieht die Ratspräsidentschaft Probleme. Sie vermutet eine Überlastung der nationalen Behörden bei der Bearbeitung der Verifizierungsverfahren und damit verbunde Verzögerungen in der fristgerechten Entscheidung über den Status der NGT-Pflanze. Dadurch könnten möglicherweise Antragsteller ihre Untersuchungen bedingt durch die Vegetationsperioden nicht mehr im vorgesehenen Zeitraum durchführen. Verzögerungen im Entscheidungsprozess durch eine Arbeitsüberlastung der nationalen kompetenten Behörden würden Antragsteller von der Durchführung von Freisetzungsversuchen in der EU abhalten. Deshalb folgt die Ratspräsidentschaft dem Vorschlag einiger Mitgliedsstaaten, diese Zweiteilung aufzugeben und stattdessen für beide Intentionen der Freisetzung eine europäische Behörde zur Bearbeitung der Anträge zu schaffen und ein einfaches, harmonisiertes und einheitliches Verifizierungsverfahren einzuführen.

Ratspräsidentschaft bittet die Mitgliedsstaaten um ihre Präferenzen, wie mit den Verifizierungsverfahren werden sollten.

Das Verfahren und zur Genehmigung von Feldversuchen zu Forschungszwecken bei / durch die nationalen kompetenten Behörden hat sich für gv-Pflanzen als zweckmäßig erwiesen und die Behörden haben hier bereits Erfahrungen sammeln können, die sie auch auf die Verfahrensinhalte für NGT-1-Pflanzen übertragen können. Soweit aus der ► EU-Datenbank nachvollziehbar sind bei den Freisetzungsanträgen von gv-Pflanzen kaum Verzögerungen in der Entscheidungsfindungen durch die kompetenten nationalen Behörden aufgetreten.

 

Der WGG ist der Ansicht, das bewährte Verfahren der Prüfung von Freisetzungsanträgen und das Genehmigen von Freisetzungen bei den nationalen kompetenten Behörden zu belassen. Bei Rückfragen zum Antrag ist der Austausch zwischen Behörde und Antragsteller schneller und besser gewährleistet. Eine dezentralisierte Bearbeitung der Anträge wird als effektiver und damit auch als vorteilhafter angesehen.

 

*  Verifizierungsverfahren: Verfahren zur Überprüfung des Status einer NGT-Pflanze    

8. Befugnis der Kommission zum Erlass von delegierten Rechtsakten

Der Kommissionsentwurf sieht vor, dass der Kommission Befugnisse zum Erlass von delegierten Rechtsakten eingeräumt werden (Art. 5 und 26). Hiermit soll die Möglichkeit geboten werden, die Verordnung an die schnellen Entwicklungen der neuen Technologien anzupassen.

Art. 5: Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 26 delegierte Rechtsakte zur Änderung der in Anhang I festgelegten Kriterien für die Gleichwertigkeit von NGT-Pflanzen mit herkömmlichen Pflanzen zu erlassen, um sie hinsichtlich der Arten und des Umfangs von Veränderungen, die auf natürliche Weise oder durch herkömmliche Züchtung entstehen können, an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anzupassen.

Artikel 26 Ausübung der Befugnisübertragung

(1) Die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.

(2) Die Befugnis zum Erlass der delegierten Rechtsakte gemäß Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 22 Absatz 8 wird der Kommission für einen Zeitraum von 5 Jahren ab dem [Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung] übertragen.  

(3) Die Befugnisübertragungen gemäß Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 22 Absatz 8 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden.

Die Einführung der zwei Kategorien von NGT-Pflanzen und die im Anhang I aufgeführten Kriterien zur Differenzierung der beiden Kategorien sind wesentliche Elemente des Kommissionsvorschlages und sie sind politische Entscheidungen.

Einige Mitgliedstaaten äußerten Bedenken, dass Kriterien, die durch eine politische Entscheidung festgelegt wurden, durch einen delegierten Rechtsakt auf der Grundlage der wissenschaftlichen Entwicklung auch wieder geändert werden könnten. Sie vertreten die Auffassung, dass die Kriterien nur im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens geändert werden sollten.

Die Ratspräsidentschaft ist der Auffassung, dass diese Frage – trotz der mündlichen Ausführungen des Juristischen Dienstes des Rates – noch nicht geklärt ist und für eine Reihe von Mitgliedstaaten aus legislativer Sicht unklar bleibt.

Die Entwicklung neuer molekularbiologischer Verfahren und ihrer Anwendungen bei Pflanzen verlief seit 2000 stürmisch, so dass die ersten Überlegungen auftraten, ob die Freisetzungslinie 2001/18/EG die so gezüchteten Pflanzen auch erfasst oder ob sie einer separaten Regulierung unterzogen werden sollten.

Aus diesem Grunde wurde auf Vorschlag der Commttiees of Competent Authorities 2007 in der EU die Arbeitsgruppe „New Techniques Workung Group“ (NTWG) eingerichtet. Die Arbeitsgruppe sollte einerseits klären, welche Verfahren als neu gelten sollen und anderseits welche Techniken zu einem GVO im Sinne der Freisetzungsrichtline führen. 2011 legte die Arbeitsgruppe der Kommission ihren Abschlussbericht vor (► Final Report , ►JRC 2011). Das EU-Parlament wurde dann 2016 vom European Parliamentary Research Service (► ERPS, 2016) über die Ergebnisse des Abschlussberichtes unterrichtet.

Die Diskussion um die neuen genomischen Techniken wird bereits seit 2007 auf der politischen Ebene der Mitgliedstaaten ohne, dass bislang eine Entscheidung herbeigeführt werden konnte. Das ordentliche Gesetzverfahren ist langwierig und von politischen Vorstellungen beeinflusst. Beides erschwert eine zeitnahe Anpassung der Gesetze an wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen.

Der WGG vertritt die Auffassung, dass es in Einzelfällen angemessen ist, der Kommission die Befugnis für delegierte Rechtsakte zu erteilen.

9. Übereinstimmung mit dem Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit

Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass LMO der Kategorie 1 von der GVO-Verordnung ausgenommen und wie konventionelle Produkte reguliert werden sollten. Angesichts der Bestimmungen des Vorschlags ist die Übereinstimmung mit dem Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit möglicherweise nicht gewährleistet, da es im Falle der Annahme des Vorschlags zu einem Konflikt zwischen dem Protokoll und der Verordnung kommen könnte. Dies wurde noch nicht bewertet, auch nicht in der Folgenabschätzung des Vorschlags, obwohl die Annahme des Vorschlags zu einer Situation führen könnte, in der alle Mitgliedstaaten ihren internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, was vermieden werden sollte.

Die Ratspräsidentschaft ersucht die Mitgliedstaaten um eine Stellungnahme zu der Frage, wie sie die Übereinstimmung mit dem Cartagena-Protokoll, falls der Kommissionsvorschlag in Bezug auf NGT-1-Pflanzen und deren Produkte in seiner jetzigen Form angenommen wird.

Darüber hinaus könnte, wie von einem Mitgliedstaat vorgeschlagen, eine Analyse, in der die Kriterien des Anhangs I mit den Kriterien von Drittländern verglichen werden, in denen NGT-Pflanzen geregelt sind, nützlich sein, um ein klares Bild auf globaler Ebene zu erhalten.

Nach Analyse der Vorschriften von 20 Ländern, die LMO (NGT-Pflanzen, die keine Neukombination von genetischem Material aufweisen) vertritt der WGG die Auffassung, dass NGT-1-Pflanzen in der jetzigen Definition und den entsprechenden Kriterien aus Anhang I in Übereinstimmung mit dem Cartagena-Protokoll stehen. Nach dem Cartagena-Protokoll entsprechen NGT-1-Pflanzen Organismen aus der modernen Biotechnik und können wie sollen wie konventionelle Pflanzen behandelt werden.

 

Im Non-Paper wird die Frage der Patentierbarkeit / Nicht-Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen überhaupt nicht angesprochen, obwohl dieser Punkt einer der Haupthindernisse für eine gemeinsame Stellungnahme der Mitgliedstaaten darstellt.

 

Das Arbeitsprogramm für die NGT-Arbeitsgruppe sehr umfangreich. Nach Einschätzung des WGG wird sicherlich in den drei vorgesehenen Arbeitsgruppensitzung nicht abschließend bearbeitet werden können. Sehr wahrscheinlich wird die ungarische Ratspräsidentschaft auch keine Abstimmung zu einem überarbeiteten Kommissionsvorschlag im Agrarrat anstreben. Vielmehr wird erwartet, dass die ungarische Ratspräsidentschaft im Januar 2025 nur einen Bericht über die Diskussionspunkte aus dem Non-Paper an die polnische Ratspräsidentschaft übergibt.     

 

Regulation der neuen genomischen Techniken (NGT)

Diskussion der Mitgliedstaaten unter der ungarischen Ratspräsidentschaft

 

 

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