04. Juli 2025

Anmerkungen und Empfehlungen zum Trilog über den Regulierungsvorschlag der Europäischen Kommission zu den neuen genomischen Techniken ("NGTs")

AFBV und WGG haben im Dezember 2024 und während der polnischen Ratspräsidentschaft gemeinsam mehrere Statements veröffentlicht [1], in denen sie Interessengruppen über die Standpunkte des Rates der EU und des Europäischen Parlaments („EP“) zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über NGTs [2] („Vorschlag“) informierten.

Zu Beginn der dänischen Präsidentschaft nehmen wir in Teil 1 zunächst zu den noch offenen Fragen aus dem Trilog-Verfahren Stellung (in Blau). Im zweiten Teil gehen wir auf die Kriterien von Anhang I ein und geben Empfehlungen (ebenfalls in Blau), um einen ausgewogenen Kompromiss zu ermöglichen.

Teil I: Überblick über die Fragen, in denen sich die EU-Institutionen uneinig sind

In seinem Bericht vom 13. Juni 2025 über den Vorschlag [3] hat der polnische Vorsitz vier offene Fragen identifiziert, die wir hier in Anführungszeichen gesetzt haben. Zu diesen Fragen geben wir im Folgenden unsere Kommentare ab:

1.  Bedingungen für den NGT-Status von Pflanzen der Kategorie 1

„Das Parlament und der Rat sind sich uneinig über den Ansatz und die Schwellenwerte, die in den Äquivalenzkriterien festgelegt sind, d. h. über die Art und das Ausmaß der genetischen Veränderungen, die mit denen vergleichbar sind, die auf natürliche Weise oder bei der konventionellen Züchtung auftreten können. Darüber hinaus strebt das Parlament an, den Status von Pflanzen der Kategorie 1 auf eine begrenzte Positivliste von „Nachhaltigkeitsmerkmalen“ zu beschränken, während der Rat sich weitgehend nur auf den Grundsatz der Gleichwertigkeit stützt, mit der einzigen Ausnahme der Herbizidtoleranz.“

Kommentar 1a: Wir haben bereits zuvor festgestellt, dass die vorgeschlagene Gesetzgebung zu pflanzlichem Vermehrungsmaterial (PRM) vorsieht, die Nachhaltigkeit zu bewerten und die Herbizidtoleranz im Rahmen des Sortenregistrierungsverfahrens reguliert werden soll [4]. Wir verstehen die Position des EP, dass NGT-1-Pflanzen sowohl unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit als auch in Bezug auf die Herbizidtoleranz überwacht werden müssen: Die PRM-Gesetzgebung sieht vor, dass diese Merkmale im Rahmen des Sortenregistrierungsverfahrens für alle Sorten unabhängig von den verwendeten Züchtungstechnologien bewertet werden. Da Nachhaltigkeit nur auf der Ebene der Sorte und nicht der Pflanze bewertet werden kann, sollte dieser Vorschlag für alle ein akzeptabler und vernünftiger Kompromiss sein.

Kommentar 1b: In Bezug auf geeignete Äquivalenzkriterien weisen wir im zweiten Teil dieser Mitteilung, der sich mit den Äquivalenzkriterien für NGT-1-Pflanzen befasst, auf Formulierungsprobleme in Anhang I und den Artikeln 3 und 4 der Verordnung hin. Weiterhin vergleichen wir die Formulierungen des Rates mit denen des EP und schlagen alternative Kompromissformulierungen vor.

2.   Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von NGT-1-Pflanzen und deren-Produkte

„Das Parlament sieht eine obligatorische Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung aller NGT-1-Pflanzen und deren-Produkte entlang der gesamten Lebensmittelkette vor. Im Gegensatz dazu würde der Rat nur die Kennzeichnung von NGT-Pflanzenvermehrungsmaterial der Kategorie 1 vorschreiben, wodurch die unter anderem vom Ökosektor geäußerten Bedenken ausgeräumt würden.“

Kommentar 2: Wir stimmen mit der polnischen Präsidentschaft und der Kommission überein, dass die Kennzeichnung von Pflanzenvermehrungsmaterial eine angemessene und ausreichende Maßnahme ist, um den Bedenken des ökologischen Landbaus Rechnung zu tragen. Dies ist eine bemerkenswerte Verbesserung im Vergleich zu Pflanzen und deren Produkte, die aus der Zellfusion oder induzierten Zufallsmutagenese stammen (Techniken, die als „gentechnisch verändert“ gelten, aber gemäß Anhang I B der Richtlinie 2001/18/ EG) von den Maßnahmen Gentechnik-Gesetzgebung ausgenommen sind. Sie müssen weder gekennzeichnet noch auf rückverfolgt werden. Hier haben Verbraucherorganisationen nie eine Kennzeichnung oder Rückverfolgbarkeit gefordert. Viele, aber nicht alle, aus dem ökologischen Landbau nutzen solche Pflanzen aus der induzierten Zufallsmutagenese ohne wirtschaftliche Nachteile.

Da von bestimmten europäischer Parlamentarier NGT-1-Pflanzen als GVO im Sinne der Freisetzungsrichtlinie betrachtet werden, fordern sie die „Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Lebensmittelkette und Kennzeichnung auf Verbraucherprodukten” [5]. Diese Zuordnung als GVO ist nach Ansicht von Experten, die sowohl an der Ausarbeitung der Definition eines LMO im Cartagena-Protokoll als auch an der Definition eines GVO in der Richtlinie 2001/18/EG beteiligt waren [6] gerechtfertigt. NGT-1-Pflanzen werden zweifellos mithilfe moderner Biotechnologie gewonnen, aber die Veränderungen, die sie aufweisen, hätten auch auf natürliche Weise oder durch konventionelle Züchtungstechniken erzielt werden können. Sie sind nicht von natürlichen Mutationen zu unterscheiden. Um es entsprechend der Definition in Richtlinie 2001/18 auszudrücken: Sie wurden tatsächlich nicht „auf eine Weise verändert, die nicht auf natürliche Weise durch Kreuzung und/oder natürliche Rekombination auftritt”.  Viele Länder, die das Cartagena-Protokoll ratifiziert haben und über Gentechnik-Gesetzgebung verfügen, betrachten gegenwärtig solche NGT-1-Pflanzen nicht als GVO, da sie keine artfremde DNA enthalten [7].

3.   Opt-out beim Anbau von NGT-Pflanzen der Kategorie 2

„Der Rat möchte den Status quo beibehalten, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, sich gegen den Anbau von NGT-2-Pflanzen auf ihrem Hoheitsgebiet zu entscheiden und Maßnahmen zu ergreifen, um das unbeabsichtigte Vorhandensein in anderen Produkten zu vermeiden („Koexistenzmaßnahmen“). Das Parlament möchte die Opt-out-Möglichkeit abschaffen, aber Koexistenzmaßnahmen verbindlich vorschreiben.“

Kommentar 3: Wie die Kommission bereits dargelegt hat, würde die Möglichkeit für Züchter oder Landwirte, solche Pflanzen in der EU zu verwenden, unvorhersehbar werden, wenn Ausnahmeregelungen zugelassen würden. Ebenfalls würde es die Entwicklung und Verwendung von NGT-2-Pflanzen behindern. In diesem speziellen Fall erscheint die Position des Europäischen Parlaments vernünftiger als die des Rates. Es wäre durchaus ein akzeptabler Kompromiss.

4 .  Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen von Patenten auf NGT-Pflanzen

„Das Parlament möchte alle NGT-Pflanzen von der Patentierbarkeit ausschließen und die Patentgesetzgebung in dieser Hinsicht ändern. Der Rat dagegen strebt an, die Transparenz in Bezug auf Patente für NGT-Pflanzen zu erhöhen, die Vergabe von Lizenzen zu fairen Bedingungen zu fördern und den Betreibern dabei zu helfen, sich im Bereich des geistigen Eigentums an Pflanzen zurechtzufinden, ohne die Patentgesetzgebung zu ändern.“

Kommentar 4: Wir haben uns bereits ausführlich zu der Frage der Patente geäußert [8] und vier Vorschläge unterbreitet, die weitgehend mit den Ansichten der polnischen Präsidentschaft übereinstimmen und keine Änderungen des Patentrechts erfordern.

Einige Parlamentarier haben kürzlich erklärt, dass der Rat und die Kommission „die Frage der Patentierbarkeit dieser neuen GVO ignorieren, was den europäischen Landwirten und kleinen Saatgutunternehmen das Genick brechen würde“ [5]. Wir sind der Ansicht, dass der vom Rat verfolgte Ansatz und die von AFBV und WGG vorgeschlagenen Maßnahmen im Gegenteil kleine Saatgutunternehmen und Start-ups im Bereich der Genomeditierung schützen und sicherstellen würden, dass NGT-Innovationen so schnell wie möglich von europäischen Landwirten genutzt werden könnten. Wir möchten darauf hinweisen, dass derzeit EU-Start-up-Unternehmen, die mit NTGs innovativ sind, wie Healthycrop (DK), Rainbow Crops (BE), Tropic BioSciences (UK) und Edivite (IT) (siehe online-Präsentationen der Unternehmen [9]), keine mit etablierten Saatgutunternehmen vergleichbaren Züchtungsprogramme haben und nur ungeschützte bestehende Sorten modifizieren können. Die einzige realistische Möglichkeit, eine Rendite für ihre Investitionen zu erzielen, besteht darin, dass ihre Innovationen patentrechtlich geschützt werden.

Von allen Fragen, in denen sich die Positionen von Rat und EP unterscheiden, ist die wichtigste und dringlichste die Klärung der Bedingungen für die Erlangung des NGT-Status von Pflanzen der Kategorie 1. Darauf gehen wir in Teil II ein.

Teil II: Äquivalenzkriterien für Pflanzen der Kategorie 1

1.   Vergleich der Änderungen des Rates und des Europäischen Parlaments zu Anhang I und den                     Artikeln 3 und 4 der Verordnung

Von der Kommission vorgeschlagener Text mit Änderungen des Rates in Rot: (freie Übersetzung).

„Eine NGT-Pflanze gilt als gleichwertig mit konventionellen Pflanzen, wenn sie sich von der Empfänger-/ Elternpflanze um nicht mehr als 20 genetische Veränderungen pro monoploidem Genom der in den Punkten 1 bis 4 unterscheidet, in jeder DNA-Sequenz, die eine Sequenzähnlichkeit mit der Zielstelle aufweist, die mit bioinformatischen Werkzeugen vorhergesagt werden kann,

Spezifische Kriterien für die Verwendung der gezielten Mutagenese:

(1) Substitution oder Insertion von nicht mehr als 20 Nukleotiden;

(2)  Deletion einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden;

Spezifische Kriterien für die Verwendung von Cisgenese:

3)  unter der Voraussetzung, dass die genetische Veränderung kein endogenes Gen unterbricht oder dass die resultierende Kombination von DNA-Sequenzen in der Empfängerpflanze bereits in einer Art aus dem Genpool des Züchters vorkommt:

 (a) gezielte Insertion einer zusammenhängenden kontinuierlichen DNA-Sequenz, die im Genpool desZüchters vorhanden ist,

(b) gezielte Substitution einer endogenen DNA-Sequenz durch eine zusammenhängende DNA-Sequenz, die im Genpool des Züchters vorhanden ist;

(4) gezielte Inversion einer Sequenz beliebiger Anzahl von Nukleotiden.

(5) jede andere gezielte Veränderung beliebiger Größe, unter der Voraussetzung, dass die resultierenden DNA-Sequenzen bereits (möglicherweise mit den unter den Punkten (1) und/oder (2) akzeptierten Veränderungen) in einer Art aus dem Genpool des Züchters vorkommen.“

Artikel 3 – Absatz 1 – Nummer 7 Buchstabe b

„Nachkommen der in Buchstabe a genannten NGT-Pflanzen, einschließlich Nachkommen, die durch Kreuzung solcher Pflanzen gewonnen wurden, vorausgesetzt, dass keine weiteren Veränderungen vorgenommen wurden, die sie der Richtlinie 2001/18/EG oder der Verordnung 1829/2003 unterliegen würden;“

Artikel 3 – Absatz 1 – Nummer 15 b (neu)

[Definition fehlt in den Fassungen des Rates/der Kommission]

Artikel 4 – Absatz 1 – Nummer 1 – Buchstabe b

Von der Kommission vorgeschlagener Text

 (b)  Nachkommen der in Buchstabe a genannten Pflanze(n) sind; oder….“

Kombinierter Text der EP-Änderungsanträge (neuer Text in Schwarz und Änderungen am Text der Kommission in Rot)

Eine NGT-Pflanze gilt als gleichwertig mit konventionellen Pflanze, wenn die folgenden Bedingungen gemäß den Punkten 1 und 1a erfüllt sind:“

„(1) Die Anzahl der folgenden genetischen Veränderungen, die miteinander kombiniert werden können, darf pro proteinkodierender Sequenz 3 nicht überschreiten, wobei Mutationen in Introns und regulatorischen Sequenzen von dieser Begrenzung ausgenommen sind:

(a) Substitution oder Insertion von nicht mehr als 20 Nukleotiden;

(b) Deletion einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden;

 

(1a) Die folgenden genetischen Veränderungen, die miteinander kombiniert werden können, erzeugen kein chimäres Protein, das in Arten aus dem Genpool für Zuchtzwecke nicht vorkommt, und unterbrechen kein endogenes Gen:

(a) Insertion von kontinuierlichen DNA-Sequenzen, die im Genpool für Zuchtzwecke vorhanden sind;

(b) Substitution endogener DNA-Sequenzen durch zusammenhängende DNA-Sequenzen, die im Genpool für Zuchtzwecke vorhanden sind;

(c) Inversion oder Translokation zusammenhängender endogener DNA-Sequenzen, die im Genpool für Zuchtzwecke vorhanden sind.

 

 

 

 

 

Keine entsprechende Änderung in den EP-Änderungsanträgen

 

15b) „Chimäres Protein“ bezeichnet Proteine, die durch die Verbindung von zwei oder mehr Genen oder Teilen von Genen entstanden sind, die ursprünglich für separate Proteine kodierten.

 

(b)  Nachkommen der unter Buchstabe a genannten Pflanzen sind, sofern die in Anhang I festgelegten Gleichwertigkeitskriterien weiterhin erfüllt sind oder …

 

2.   AFBV-WGG-Kommentare zu den oben genannten Texten des Rates und des Europäischen                        Parlaments

A.   Die Obergrenze von 20 Modifikationen.

Die zahlenmäßige Begrenzung auf 20 Modifikationen wurde von der Kommission vorgeschlagen, um eine Abgrenzung gegenüber dem zu ziehen, was mit konventionellen Züchtungstechniken möglich ist. Die Schwierigkeit bei einer solchen Abgrenzung besteht darin, dass sie sich im Laufe der Zeit mit den Fortschritten in den konventionellen Züchtungstechniken zwangsläufig rasch erweitern werden. Zum Vergleich schlug USDA APHIS im November 2024 folgende Ausnahmeregelung vor:

„Pflanzen mit bis zu 12 Modifikationen, die gleichzeitig oder nacheinander vorgenommen wurden, sind von der Regulierung ausgenommen, wenn jede Modifikation einzeln die Pflanze für eine Ausnahmeregelung qualifiziert und an einem anderen Gen vorgenommen wurde. Modifikationen an einem einzelnen Allel oder einem Allelpaar auf homologen Chromosomen zählen als eine Modifikation.“

In seinem Kommentar zu seiner eigenen Ausnahmeregelung stellte USDA APHIS fest: „Angesichts der rasanten Fortschritte in der Pflanzenzüchtung wird diese Anzahl von Modifikationen schnell, wenn nicht sogar bereits jetzt, überholt sein.“[10].

Auf die Frage nach ihrer Meinung zur Obergrenze von 20 Modifikationen führte die EFSA aus: „es wissenschaftlich gerechtfertigt ist, davon auszugehen, dass eine Pflanze, die im Vergleich zu ihren Elternpflanzen 20 oder weniger Modifikationen aufweist, das Ergebnis spontaner Mutationen sein könnte“ (Hervorhebung hinzugefügt) [11]. Der Vorschlag des Rates, die Worte „pro monoploidem Genom“ hinzuzufügen, berücksichtigt somit in sinnvoller Weise die Notwendigkeit der Flexibilität für polyploide Pflanzen. Der Vorschlag des EP, überhaupt keine Begrenzung oder eine Begrenzung auf drei pro proteinkodierender Sequenz vorzusehen, wäre noch vorteilhafter. In dem Kompromissvorschlag am Ende dieser Anmerkung schlagen wir vor, der Begrenzung des Rates zu folgen. 

B.   Beschränkung der Kriterien 1 und 2 auf gezielte Mutagenese und der Kriterien 3 und 4 auf                         Cisgenese

Die Formulierung des Rates, die zwischen „spezifischen Kriterien für die Verwendung gezielter Mutagenese“ für die Kriterien 1 und 2 und „spezifischen Kriterien für die Verwendung von Cisgenese“ für die Kriterien 3 und 4 unterscheidet, erscheint uns als unnötig und könnte zu Verwirrungen führen. Substitutionen werden durch SDN-2 und ähnliche Technologien unter Verwendung einer extern bereitgestellten Reparaturvorlage erzielt. Substitutionen werden sowohl in Kriterium 1 als auch in Kriterium 3 (b) erwähnt, die der Rat als spezifisch für die Cisgenese betrachtet. Die Definition der Cisgenese in Artikel 3 Absatz 5 erfordert eine „Insertion”. Eine Substitution unterscheidet sich von einer Insertion. Wir empfehlen, diese Formulierung zu streichen, da sie unnötig ist und in der Formulierung des EP nicht enthalten ist.

C.   Kriterium 1: „Substitution oder Insertion von nicht mehr als 20 Nukleotiden”

Der Ursprung der Begrenzung auf „20 Nukleotide“ geht auf die Berechnung der JRC zurück, dass eine modifizierte Sequenz, die kleiner als 19 bis 21 Basen ist, wahrscheinlich an anderer Stelle im Genom vorkommt und daher nicht einzigartig und nicht neuartig ist [12]. Die Festlegung einer solchen Obergrenze für Insertionen und Substitutionen, die mit SDN-2 (und ähnlichen Technologien) erzielt werden und die Verwendung einer extern bereitgestellten Reparaturvorlage erfordern, ist sinnvoll, da die Größe der Modifikation von vornherein bekannt ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die SDN-1-Technik (Induktion eines doppelsträngigen zellulären Schnabel) verwendet wird, da das Ergebnis in diesem Fall ein Indel ist, dessen Form und Größe rein zufällig sind. Im Falle eines Indels macht eine Nukleotid-Obergrenze keinen Sinn, da sie unvorhersehbar ist.

Eine Umformulierung der Kriterien 1 und 2 wäre:

„(1) Substitution oder Insertion einer Sequenz

(a) von bis zu 21 Nukleotiden bei Verwendung einer extern bereitgestellten Reparaturvorlage

(b) einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden, wenn die Sequenz aus der zellulären Reparatur eines gezielten DNA-Bruchs ohne extern bereitgestellte Reparaturvorlage resultiert;

 (2) Deletion einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden;“

Wir schlagen vor, 21 Nukleotide anstelle von 20 zu verwenden, da ein Codon 3 Nukleotide enthält.

D.   Kriterium 3: „unter der Voraussetzung, dass die genetische Veränderung kein endogenes  Gen                 unterbricht“

In konventionellen Züchtungsprogrammen kann eine Mutation, die ein endogenes Gen unterbricht, für den Züchter vorteilhaft sein oder auch nicht – in einem Fall wird die Pflanze behalten, im anderen Fall wird sie verworfen. Im Fall von transgenen Pflanzen ist die Unterbrechung eines endogenen Gens ein Problem und ist ein Teil der Risikobewertung. Bei NGT-Pflanzen ist keine fremde DNA vorhanden, sodass sich die Umstände nicht von denen in der konventionellen Züchtung unterscheiden, wo Insertionen routinemäßig vorkommen können (z. B. Insertion von Transposons). Die Kommission hatte implizit anerkannt, dass die Unterbrechung eines endogenen Gens ohne Auswirkungen sein kann, und vorgeschlagen, Kriterium 5 als Ausnahmeregelung zu Kriterium 3 anzuwenden, wenn tatsächlich ein Gen unterbrochen wurde [13]. Im Text des Rates gilt diese Sorge der Unterbrechung eines endogenen Gens nicht, wenn „die resultierende Kombination von DNA-Sequenzen in der Empfängerpflanze bereits in einer Art aus dem Genpool der Züchter vorkommt”. Sowohl die Fassung des Rates als auch die des EP würden davon profitieren, wenn die Bedingung, dass ein endogenes Gen nicht unterbrochen wird, vollständig gestrichen würde.

E.   Artikel 3 – Absatz 1 – Nummer 15 b (neu): Definition von „chimärem Protein“

Dieser vom EP eingeführte Artikel ist sinnvoll und sollte beibehalten werden. Gemäß der Definition wären „Proteine, die durch die Verbindung von zwei oder mehr Genen oder Teilen von Genen, die ursprünglich für separate Proteine kodierten, entstanden sind” nur dann nach Kriterium (1a) zulässig, wenn sie bereits in einer Art des Genpools der Züchter vorhanden sind.

F.   Nachkommen von NGT-1-Pflanzen

Nachkommen einer validierten NGT-1-Pflanze sollten ohne Einschränkungen in die Umwelt freigesetzt und in Züchtungsprogrammen verwendet werden können. Dies ist in Artikel 3 Absatz 1 Nummer 7 Buchstabe b des Vorschlags der Kommission vorgesehen, wo der Rat das Wort „abgeleitet” lediglich durch das Wort „gewonnen” ersetzt hat.

In seiner Änderung (rot markiert) zu Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Vorschlags der Kommission schlägt das EP vor:

„b)  Nachkommen der unter Buchstabe a genannten Pflanzen sind, sofern die in Anhang I festgelegten Gleichwertigkeitskriterien weiterhin erfüllt sind;“

Wir halten die oben genannte Änderung des Europäischen Parlaments angesichts des Wortlauts des Rates in Artikel 3 Absatz 1 Nummer 7 Buchstabe b für unnötig oder überflüssig: „einschließlich Nachkommen, die durch Kreuzung solcher Pflanzen gewonnen wurden, sofern keine weiteren Veränderungen vorgenommen wurden, die sie der Richtlinie 2001/18/EG oder der Verordnung 1829/2003 unterwerfen würden“.

Aufgrund dieser Diskussion haben wir eine neue Kompromissfassung von Anhang I erstellt, die unmittelbar darunter zu finden ist.

Vorschlag für eine Kompromissformulierung für Anhang I unter Verwendung von Beiträgen aus den Änderungsanträgen des Rates und des Europäischen Parlaments

Eine NGT-Pflanze gilt als konventionellen Pflanzen gleichwertig, wenn die folgenden in den Punkten 1, 2, 3 und 4 genannten Bedingungen erfüllt sind:

(1) Substitution oder Insertion einer Sequenz

(a) von bis zu 21 Nukleotiden bei Verwendung einer extern bereitgestellten Reparaturvorlage

(b) einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden, wenn die Sequenz aus der zellulären Reparatur eines gezielten DNA-Bruchs ohne Verwendung einer extern bereitgestellten Reparaturvorlage resultiert;

(2) Deletion einer beliebigen Anzahl von Nukleotiden;

(3) vorausgesetzt, dass die folgenden genetischen Veränderungen kein chimäres Protein erzeugen, das in einer Art des Genpools der Züchter nicht vorhanden ist:

(a) Insertion von kontinuierlichen DNA-Sequenzen, die im Genpool der Züchter vorhanden sind (möglicherweise mit Modifikationen wie in (1) oder (2));

 (b) Substitution endogener DNA-Sequenzen durch kontinuierliche DNA-Sequenzen, die im Genpool der Züchter vorhanden sind (möglicherweise mit Modifikationen wie in (1) oder (2));

 (c) Inversion oder Translokation kontinuierlicher endogener DNA-Sequenzen, die im Genpool der Züchter vorhanden sind (möglicherweise mit Modifikationen wie in (1) oder (2)).

(4) Die Gesamtzahl der genetischen Veränderungen, die in den Punkten 1, 2 und 3 miteinander kombiniert werden können, darf 20 pro monoploidem Genom nicht überschreiten.

 

AFBV und WGG hoffen, dass die EU-Institutionen ihre technischen und politischen Sitzungen im Trilog-Verfahren bald wieder aufnehmen, um für alle Seiten akzeptable Kompromisse zu finden, und hoffen, dass diese Mitteilung dazu beitragen kann, dieses Ziel zu erreichen.

AFBV und WGG stehen allen Interessengruppen weiterhin zur Verfügung, um Fragen zu diesem Statement zu beantworten.

Thierry Langin                                                                        Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany

President                                                                                          Vorsitzender

Association Française des                                                               Wissenschaftskreis Genomik und

Plant Biotechnology (AFBV)                                                                   Gentechnik e.V. (WGG)

e.mail: afbv.secretariat@gmail.com                                                           jany@wgg-ev.de

Website: https://www.biotechnologies-vegetales.com                            https://www.wggev.de/

         Philippe Dumont

       Vice-president, AFBV

Referenzen:

[1]  https://www.wggev.de/wp-content/uploads/AFBV-WGG-Anmerkungen-II.pdf

       https://www.wggev.de/wp-content/uploads/AFBV-WGG-Update-German.pdf

[2]    Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel sowie zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/62

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CONSIL:ST_11592_2023_INIT

[3]    https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9879-2025-INIT/en/pdf

[4]    Die Nachhaltigkeit wird für alle zu registrierenden Sorten in Artikel 52 (Kriterien (a) bis (g)) des Vorschlags für eine Verordnung über die Erzeugung und den gewerbsmäßigen Vertrieb von Pflanzenvermehrungsmaterial in der Union behandelt: https://food.ec.europa.eu/plants/plant-reproductive-material/legislation/future-eu-rules-plant-and-forest-reproductive-material_en. Außerdem ist geplant, die Herbizidtoleranz (HT) für alle Sorten einer Art gemäß Artikel 47 Absatz 1 (f) und Absatz 3 in der Verordnung über Pflanzenschutzmittel zu regeln, ohne die zur Erlangung der HT-Eigenschaft verwendete Technologie zu spezifizieren. Wie wir bereits bei zahlreichen Gelegenheiten angedeutet haben, ist es relativ einfach, HT-Merkmale durch Spontanmutation sowie durch Zufallsmutagenese und TILLING und andere konventionelle Züchtungsverfahren zu erhalten.  Eine Unterscheidung auf der Grundlage der verwendeten Technologie wäre auf regulatorischer Ebene nicht sinnvoll, wenn die Ergebnisse völlig gleichwertig sind.

[5] https://www.gmwatch.org/en/106-news/latest-news/20565-negotiations-stall-on-eu-gmo-deregulation-proposal

[6]    van der Meer et al., The Status Under EU Law of Organisms Developed Through Novel Genomic Techniques (November 13, 2020). European Journal of Risk Regulation,

http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3730116

[7     Argentinien war vor zehn Jahren das erste Land, das seine GVO-Gesetzgebung geändert hat, um genomeditierte Organismen zu berücksichtigt. „Nach dem ‚argentinischen Modell‘ gelten Produkte, die unter Verwendung von Genom-Editierung entwickelt wurden, nicht als gentechnisch veränderte Organismen, es sei denn, sie enthalten eine ‚neue Kombination von genetischem Material‘, die als ‚Veränderung im Genom des Organismus durch die stabile und gemeinsame Einfügung von EINEM (1) oder mehreren Genen oder Nukleinsäuresequenzen, die Teil einer definierten genetischen Konstruktion sind‘ definiert wird“…… „Zu den Ländern, die ähnliche Ansätze wie das argentinische Modell verfolgen, gehören Chile, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Japan, die Philippinen und Israel.“

Animal and Plant Health Inspection Service, USDA. Movement of organisms modified or produced through genetic engineering; Notice of additional modifications exempt plants can contain.Aktenzeichen APHIS–2023–0022, Bundesregister 89569, Band 89, Nr. 219, Mittwoch, 13. November 2024, S. 89578-79. https://www.govinfo.gov/content/pkg/FR-2024-11-13/pdf/2024-26232.pdf

Vor Kurzem hat Neuseeland seine Definition von gentechnisch veränderten Lebensmitteln wie folgt geändert: „Gentechnisch veränderte Lebensmittel sind Lebensmittel, die: (a) eines der folgenden Merkmale aufweisen: (i) ein Organismus, der neuartige DNA enthält; (ii) Lebensmittel, die aus einem Organismus gewonnen werden, der neuartige DNA enthält; (iii)  Zellen, die neuartige DNA enthalten; (iv) Lebensmittel, die aus Zellen gewonnen werden, die neuartige DNA enthalten. Neuartige DNA ist DNA, die: (a) von einer Person in das Genom eines Organismus, einer Zelle oder von Zellen eingefügt wurde; und (b) eines der folgenden Merkmale aufweist: (i) DNA von einer Art, die nicht kreuzbar ist;  (ii) DNA, die (A) von einer kreuzbaren Art stammt und (B) einen codierenden Bereich enthält, der vor der in Absatz (1)(a) genannten Einfügung neu angeordnet oder rekombiniert wurde; (iii) DNA, die nicht von einer existierenden Art stammt.“

https://www.foodstandards.gov.au/sites/default/files/2025-06/01_P1055_Approval%20Report.pdf

[8]    Im April 2024 veröffentlichte die AFBV auf ihrer Website elf neue Vorschläge, die in den Empfehlungen berücksichtigt werden könnten, die im Anschluss an die Studie der Kommission über die Auswirkungen von Patenten auf Pflanzen, die aus NGTs stammen, abgegeben werden, um den Bedenken Rechnung zu tragen, die vom EP in Bezug auf Fragen des geistigen Eigentums („IP“) geäußert wurden. https://www.biotechnologies-vegetales.com/wp-content/uploads/2024/05/AFBV-STATEMENT-ON-NGT-DISCUSSIONS-AT-THE-EU-COUNCIL-OF-MINISTERS.pdf

Seitdem haben wir unter den elf Maßnahmen vier vorgeschlagen, die rasch umgesetzt werden könnten. https://www.wggev.de/wp-content/uploads/AFBV-WGG-Update-German.pdf

[9]    https://www.biotechnologies-vegetales.com/colloque-afbv-lyon-2025/ at 5h:25min:30sec

[10]  Docket No. APHIS–2023–0022, Federal Register 89569 vol. 89, No. 219 Wednesday, November 13, 2024., at p. 89574. https://www.govinfo.gov/content/pkg/FR-2024-11-13/pdf/2024-26232.

In Bezug auf die Fortschritte bei konventionellen Züchtungsmethoden stellte die Behörde fest: „Seit APHIS vor vier Jahren [2020] erstmals eine Ausnahmeregelung eingeführt hat, haben Fortschritte bei konventionellen Züchtungsmethoden die stetige Introgression gewünschter Gene, Allele und QTLs in mehreren Kulturpflanzen ermöglicht (Krishna et al., 2023; Abdul Aziz und Masmoudi, 2024). Genomgestützte Züchtung, genetische Kartierung und Studien, Hochdurchsatz-Genotypisierung, Schnellzüchtung, Mehrfachkreuzungen zwischen Vorläufergenerationen und Pyramidenzüchtungsstrategien haben sich rasch weiterentwickelt und sind nun für viele Kulturpflanzenarten erschwinglich (Krishna et al., 2023; Abdul Aziz und Masmoudi, 2024). Es entstehen ständig neue Methoden zur Verbesserung und Beschleunigung der Züchtungsmethoden für schwer zu züchtende Pflanzen, insbesondere für Pflanzen mit einem komplexen autopolyploiden Genom oder mit vorwiegend asexueller Fortpflanzung (Chen et al., 2021). National Archives. Ebenda, S. 89580

[11]  Scientific opinion on the ANSES analysis of Annex I of the EC proposal COM (2023) 411 (EFSA‐Q‐2024‐00178) https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/8894

[12]  Broothaerts, W., et al., New Genomic Techniques: State-of-the-Art Review, EUR 30430 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg, 2021, ISBN 978-92-76-24696-1, doi:10.2760/710056, JRC121847.

[13]  Rationale for the equivalence criteria in Annex I to the proposal for a Regulation on plants obtained by certain new genomic techniques, Technical paper by the Commission (October 2023), p. 2

https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-14204-2023-INIT/EN/pdf

 

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