Weizen
Zöliakie - Reduktion des Glutengehalts
Weizen ist für mehr als ein Drittel der
Weltbevölkerung ein Grundnahrungsmittel und deckt fast 20 Prozent der Kalorien
und Eiweißmenge, die Menschen weltweit verbrauchen.
Gluten ist ein Eiweißmischung aus den
Proteinen Glutenin und Gliadin), das in Weizen und in verwandten Getreidesorten
vorkommt. Es sorgt dafür, dass der Teig elastisch ist und gut zusammenhält, es
verleiht Brot und Gebäck Biss und Volumen. Aufgrund dieser Eigenschaften
bezeichnet man Gluten auch als Klebereiweiß.
Weltweit ist
schätzungsweise einer von 100 Menschen von Zöliakie betroffen, einer
Immunreaktion gegen Gluten. Konkret handelt es sich dabei um eine
lebenslange Unverträglichkeit gegenüber Gluten, die gleichzeitig
Merkmale einer Autoimmunerkrankung als auch einer Allergie aufweist. Das körpereigene
Immunsystem erkennt Gluten als Bedrohung und Angriff, schädigt den
Dünndarm und verursacht Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen. Bei anhaltendem
Glutenkonsum können Zöliakiepatienten schwerwiegendere Symptome
wie Anämie und Osteoporose entwickeln. Die Zöliakie gehört zu den
weltweit am häufigsten vorkommenden Lebensmittelunverträglichkeiten.
Die meisten Gliadine
und ein Teil der Glutenine enthalten jene Aminosäuresequenzen, die Auslöser
der Immunreaktion sind. Derzeit ist eine glutenfreie Ernährung, die Vermeidung
glutenhaltiger Getreidesorten wie Weizen, Gerste und Roggen, die einzige
Therapie für Zöliakiepatienten. Diese Diät ist nicht leicht einzuhalten,
weil sie Verzicht auf viele Lebensmittel bedeutet. Weizengluten wird aufgrund
seiner Eigenschaften einer großen Anzahl von Nahrungsmittel zugesetzt.
Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler arbeiten daran, bestimmte Teile der Antigene (Epitope), auf
die das Immunsystem reagiert, im Gluten zu entfernen bzw. zu
modifizieren, um dieses so verträglich zu machen. Aber Weizen ist eine Pflanze
mit einem sehr komplexen Genom. Brotweizen enthält rund fünfmal so viele
DNA-Buchstaben wie das menschliche Genom (20.000 Gene). Auch gibt es sechs Kopien
von jedem Chromosom. Das heißt, wenn ein Gen geändert werden soll, müssen alle
sechs Kopien geändert werden.
Schon lange
wird versucht, Weizen mit stark reduziertem Gliadin-Gehalt durch
klassische Züchtung oder ungerichtete Erbgut-Veränderungen (klassische
Mutageneseverfahren) zu erzeugen. Gelungen ist es nicht. Das Problem: Weizen
verfügt über 45 verschiedene, einander sehr ähnliche Gliadin-Gene. Alle
diese zugleich durch eine ungerichtete Mutagenese auszuschalten, ist nahezu
unmöglich. Zusätzlich verliert mit dem Ausschalten der Gene der Weizen seine
Backfähigkeit.
Inzwischen
setzen Forschungsgruppen in mehreren Ländern die Genschere CRISPR/Cas ein, um
damit gleichzeitig mehrere – oder sogar alle – im Weizengenom vorhandenen Zöliakie-auslösenden
Epitope in den Gliadin-Genen so zu modifizieren, dass sie in ihrer
Wirkung unterdrückt werden.
So konnten
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für nachhaltige
Landwirtschaft der Universität Córdoba in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und
Kollegen aus den USA zeigen, dass sich CRISPR/Cas
auch dazu einsetzen lässt, Weizen mit deutlich reduziertem Gliadin-Gehalt
zu erzeugen. Es gelang ihnen, 35 der insgesamt 45 Gliadin-Genen
erfolgreich in ihrer Wirkung zu unterdrücken. Während dieser Weizen mit niedrigem
Glutengehalt für Zöliakie-Betroffene in Bezug auf die Verträglichkeit
noch immer nicht sicher für den Verzehr ist, arbeitet das Team in einem
nächsten Durchgang daran, die restlichen 10 Gene zu finden und zu
deaktivieren., um so einen für Zöliakie-Patienten verträglichen Weizen
zu erhalten.
Auch an der
Universität Wageningen in den Niederlanden beschäftigt sich ein
Forschungsprojekt mit der Entwicklung von glutenfreiem Weizen. Mit Hilfe
von CRISPR/Cas sollen gezielt nur jene Gliadine blockiert werden, die
tatsächlich für Zöliakie-Patienten toxisch wirken, während alle andere Gliadine
jedoch unverändert bleiben. So soll die Verträglichkeit des Weizens für die
Betroffenen hergestellt werden, ohne positive Eigenschaften wie Elastizität,
Volumen, Zusammenhalt und Biss zu beeinträchtigen, die das Gluten dem
Teig bzw. fertigen Backwaren verleiht. Bisher ist es der Gruppe gelungen,
Weizenvarietäten zu erzeugen, bei denen einige Gliadingene verändert
oder entfernt wurden. Diese bearbeiteten Weizenpflanzen sind für Zöliakie-Patienten
noch nicht sicher (in Hinblick auf die Verträglichkeit), da im Weizen eine
große Anzahl von Glutengenen vorhanden ist und nicht alle gezielt
untersucht werden konnten. Um festzustellen, welche Gene bereits verändert
wurden und welche in zukünftigen Schritten in Richtung einer sicheren
Weizensorte noch bearbeitet werden müssen, wurden deshalb entsprechende
Untersuchungsmethoden entwickelt, um schließlich in einem nächsten
Arbeitsdurchgang alle für die Patientinnen und Patienten unverträglichen Glutengene
erfolgreich zu entfernen.
Links:
Forschung
Spanien/ England/USA
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/pbi.12837
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5867031/
https://www.mdpi.com/2072-6643/10/12/1964
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6470674/
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28921815
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26300126
Forschung
Niederlande/ Wageningen
https://library.wur.nl/WebQuery/wurpubs/545707
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31370789
https://bmcplantbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12870-019-1889-5
https://www.fooddive.com/news/gluten-safe-wheat-created-by-dutch-researchers-using-crispr/549555/
https://www.foodnavigator-usa.com/Article/2019/02/27/Dutch-scientists-have-cracked-the-gene-code-to-make-gluten-safe-wheat // https://www.fooddive.com/news/gluten-safe-wheat-created-by-dutch-researchers-using-crispr/549555/
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/mehrwert/allergien-lebensmittel-gesundeheit-100.html
https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lebensmittel/getreide/index.html
https://www.transgen.de/lebensmittel/775.gene-abschalten-allergene-gluten.html
https://www.transgen.de/forschung/2662.crispr-genome-editing-beispiele-pflanzen.html
https://www.scienceindustries.ch/engagements/internutrition/newsletter-archiv
https://de.wikipedia.org/wiki/Epitop
https://advances.sciencemag.org/content/4/8/eaar8602
https://www.mdpi.com/2071-1050/11/22/6421/htm