Oligonukleotid gesteuerte Mutagenese (ODM)
Was?
Verfahren in der Pflanzenzüchtung, bei dem eine
punktgenaue Veränderung im Erbgut einer Pflanze herbeigeführt werden kann.
Kurzversion
Die Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (ODM) wird
genutzt, um im Erbgut einer Pflanze durch punktuelles Auslösen von Mutationen
gezielte Veränderungen herbeizuführen. Je nachdem, wo die Veränderungen
durchgeführt werden, lassen sich Gene ausschalten oder aktivieren oder die
Eigenschaften von Proteinen/Enzymen verändern.
Der Vorteil dieses naturanalogen Verfahrens: Im
Gegensatz zu natürlichen Mutationen oder Mutageneseverfahren durch Strahlung
oder chemische Stoffe kann mit Hilfe der ODM die Mutation ganz gezielt an
bestimmten Stellen der DNA ausgelöst werden. Im Pflanzenmaterial kann im
Nachhinein nicht festgestellt werden, mit welchem Verfahren die Mutation in das
Genom eingebracht wurde.
Technik
Bei der ODM werden kurze, im Labor hergestellte
DNA-Moleküle, die Oligonukleotide, mit einer Länge von ca. 20 bis 100
Nukleotiden in die Zelle eingebracht, um an einer bestimmten Sequenz
ortsspezifisch Mutationen zu erzeugen. Das heißt, das Erbmaterial wird gezielt
durch Punktmutationen* verändert. Die Oligonukleotide sind so hergestellt, dass
sie zu ganz bestimmten Genen in der Pflanze passen. Das heißt, sie haben die
komplementäre Sequenz einer bestimmten Stelle des Genoms der zu verändernden
Pflanze, an der sie andocken können (deshalb „side-specific“ beziehungsweise
„gezielt“). Außerdem wird bewusst ein „Fehler“ in die Sequenz eingebaut. Dieser
Fehler – nicht die künstliche DNA – wird von der Pflanze in das eigene Gen
übernommen. Die Mutationen können Austausche von einzelnen oder wenigen Nukleotidpaaren
(NP), kurze Deletionen oder auch kurze Insertionen zelleigener DNA sein. Die
Technik beruht auf der sequenzspezifischen Wechselwirkung des Oligonukleotides
mit seiner Zielsequenz im Genom der Zelle (gene targeting). Die Oligonukleotide, die in die Zellen eingebracht werden, sind keine neuen
Kombinationen genetischen Materials, denn ihre Sequenz richtet sich nach der
Zielsequenz.
Grafik: WGG/transgen
Die Technik imitiert die Evolution: Sie löst Mutationen
aus, die in der Natur in jedem Organismus zufällig auftreten – und die seit
Jahrzehnten auch von Pflanzenzüchtern herbeigeführt werden. Bislang wurden zu
deren Herbeiführung aber Chemikalien oder Strahlung genutzt. Im Gegensatz zu
diesen Vorgängen kann mit Hilfe der ODM die Mutation gezielt an bestimmten
Stellen der DNA ausgelöst werden. Im Pflanzenmaterial kann im Nachhinein nicht
festgestellt werden, mit welcher Methode die Mutation in das Genom eingebracht
wurde. Bei ODM werden die hergestellten Moleküle nur vorübergehend in die
Pflanzenzelle eingefügt. Sie vermitteln eine Änderung des Erbguts, ohne dass
sie selbst in das Genom der Pflanze integriert werden. Das heißt, sie werden
wieder abgebaut.
Die Oligonukleotide wirken wie Mutagene und rufen
Mutationen von einem oder wenigen NP hervor, wie sie gleichermaßen auch spontan
oder nach Anwendung von Mutagenen auftreten können und sind damit nicht von
spontanen Mutationen oder von Mutationen, die durch Mutagenese hervorgerufen
werden, unterscheidbar.
Anwendung
Die Mutagenese mit Oligonukleotiden wurde bereits bei
verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wie Raps, Mais, Tabak, Reis und
Weizen erfolgreich durchgeführt. Das Rapid Trait Development System (RTDS) mit
dem das kalifornischen Unternehmen Cibus einen herbizidtoleranten Raps
entwickelte, ist eine Variante der Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese. In
den USA ist im Frühjahr 2015 der erste Raps ausgesät worden, der mit einer der
neuen Methoden entwickelt wurde.
*Das heißt: Das
Erbgut in der Zelle besteht aus einer Reihe von Nukleotiden, deren Abfolge von
der Zelle abgelesen wird, um zum Beispiel Proteine zu bauen. Im inaktiven
Zustand liegen zwei komplementäre Stränge wie die beiden Holme einer Leiter
nebeneinander. Durch Umwelteinflüsse oder Fehlfunktionen können Mutationen,
also Änderungen der Abfolge, entstehen; ist nur ein einziges Nukleotid
betroffen wird von einer Punktmutation gesprochen.
Weitere Informationen
http://www.pflanzenforschung.de/index.php?cID=5679
http://www.transgen.de/lexikon/1846.oligonukleotid-gerichtete-mutagenese-odm.html